Gründerrechte
2. Die liechtensteinische privatrechtliche Anstalt
2.1 Einleitendes — Verwendung und Statistik
Die liechtensteinische privatrechtliche Anstalt ist eine Gesellschaftsform mit eigener Rechtspersön-
lichkeit. Im Gegensatz zu einem Grossteil der anderen Rechtsformen des PGR, ist die Anstalt eine
liechtensteinische ,,Eigenkreation*. Die Anstalt zeichnet sich insbesondere durch ihre grosse Flexibili-
tät aus, welche eine Vielzahl an unterschiedlichen Gestaltungsmóglichkeiten bereithált. Ebendiese
grosse Liberalitüt, welche sich insbesondere in der Ausgestaltung der Organisationsstruktur nieder-
schlágt, birgt jedoch auch Unsicherheiten, auf welche in dieser Arbeit eingegangen wird.
Gem. Art. 543 PGR bildet der Gründerrechtsinhaber das oberste Organ der Anstalt, wobei auch grün-
derrechtslose Anstalten móglich sind. Ohne Gründerrechte obliegt dem Verwaltungsrat als einziges
Organ die zweckentsprechende Verwendung des Kapitals, nach Massgabe der Statuten und zugunsten
von bestimmten bzw. bestimmbaren Begünstigten.'?
Insbesondere klein- und mittelständische Unternehmen haben die Vorzüge der Anstalt erkannt, wes-
halb sich in diesem Bereich eine besonders grosse Anzahl an Anstalten finden lässt. Auch für die
Nachfolgeplanung, Strukturierung von Vermógenswerten oder Unternehmen sowie als Holdinggesell-
schaft ist die Anstalt sehr gut geeignet. Die weitgehende Zweckoffenheit lásst die Verfolgung wirt-
schaftlicher oder gemeinnütziger Ziele sowie den Betrieb eines kaufmännischen Gewerbes zu. Das
grosse Mass an Diskretion ohne Eintragung des Gründerrechtsinhabers", der Destinatüre und oder
etwaiger Anteilshalter", stellt ebenfalls eine Besonderheit der Anstalt dar. Die Anstalt kann somit als
Chamüleon des Gesellschaftsrechts bezeichnet werden, welches sich an die unterschiedlichsten Anfor-
derungen der Praxis anpassen kann.
Nach der Totalrevision des liechtensteinischen Stiftungsrechts im Jahr 2009 waren die Erwartungen in
die Anstalt gross und ein ,Anstalts-Boom^ wurde erwartet." Die zahlenmüssige Entwicklung geht
jedoch in eine andere Richtung. So zeigt der Rechenschaftsbericht der Regierung, dass den 148 Neu-
eintrágen im Jahr 2015, insgesamt 1032 Lóschungen gegenüberstanden." Die Gründe hierfür sind
jedoch nicht ausschliesslich im Anstaltsrecht selbst zu suchen, sondern auch in einer generellen Ló-
schungstendenz in Liechtenstein. Da auch bei den anderen Rechtsformen — mit einzelnen Ausnahmen,
wie bspw. die GmbH - ein Abwürtstrend beobachtet werden kann, scheint es sich um ein generelles
Phánomen zu handeln. Trotzdem ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Anstalt sich, zumindest
? Vg]. Prast, Anerkennung liechtensteinischer Gesellschaften im Ausland: Eine rechtsvergleichende Untersu-
chung nach deutschem, schweizerischem und ósterreichischem Recht (1997) 77.
! Auf den Gründerrechtsinhaber wird im Verlauf dieser Arbeit noch näher eingegangen.
? Vgl. Marxer, Die personalistische Aktiengesellschaft im liechtensteinischen Recht — Eine Analyse unter be-
sonderer Berücksichtigung des Rechts der Vinkulierung und der Aktionärbindungsverträge, SSHW 2007, 98.
P? Vgl. Wanger, Die Liechtensteinische Anstalt (2010) 14.
!^ S.h. hierzu die Tabelle in Anhang 1 dieser Arbeit.