Full text: Rechtliche Ausgestaltung des Genossenschaftswesens in Liechtenstein

Genossenschaftswesen Liechtenstein 
6 Genossenschaftsformen mit spezialgesetzlicher Grundlage 
Neben den eingetragenen und den nicht eingetragenen Genossenschaften mit gesetzlicher Grundlage im 
PGR kennt das liechtensteinische Recht noch zwei weitere Genossenschaftsformen mit spezialgesetzli- 
cher Grundlage. Dabei handelt es sich um die Bürgergenossenschaften sowie die Europäischen Genos- 
senschaften (SCE). 
Eine weitere spezialgesetzliche Grundlage, nämlich das Gewerbegenossenschaftsgesetz aus dem Jahr 
1936!', wurde im Jahr 2006 aufgehoben.!“ Aus der Gewerbegenossenschaft ist die heutige Interessen- 
vertretung Gewerbe- und Wirtschaftskammer (GWK) hervorgegangen. 
6.1 Bürgergenossenschaften 
6.1.1 Ursprung 
Mit dem Gesetz über die Bürgergenossenschaften (BüGG) gelang es 1996 — nach vergeblichen Versu- 
chen 1849 und 1926 — eine Regelung zu schaffen zur Entflechtung des Eigentums der historisch jünge- 
ren politischen Gemeinden und der álteren Nutzungsstrukturen der sogenannten Bürgergemeinden.'*? 
Diese greifen auf Genossenschaftsstrukturen aus der vorliberalen Zeit zurück und betreffen die gemein- 
sam reglementierte Nutzung der landwirtschaftlichen Güter Weiden, Felder, Wálder und Alpen. Im 
Laufe der letzten beiden Jahrhunderte wurde die Verwaltung dieser Güter faktisch oft den Anfang des 
19. Jahrhunderts neu entstandenen politischen Gemeinden übertragen, nicht jedoch das Eigentum. In- 
folge zunehmender Zu- und Binnenwanderung wurde dabei die Diskrepanz zwischen den ursprünglich 
Nutzungsberechtigten und dem Rest der Gemeindeansássigen immer grósser. ' Dies führte dazu, dass 
eine immer grósser werdende Zahl von Einwohnern einer politischen Gemeinde für Leistungen an das 
Eigentum der Bürgergemeinde aufkommen musste, an dem nur eine immer kleiner werdende Anzahl 
Alteingesessener Nutzungsrechte besass. So lebten 1930 durchschnittlich erst 14,6 96 der Gemeindebür- 
ger ausserhalb ihrer Heimatgemeinde, bis 1980 erhóhte sich dieser Anteil jedoch auf 27,8 96 und stieg 
bis 1995 auf über einen Drittel (33,8 96).199 
Der Gesetzgebungsprozess für das BüGG geht auf ein Postulat aus dem Jahr 1982 zurück. Im Kontext 
der geplanten Einführung des Frauenstimmrechts, der damit verbundenen Gleichstellungsdiskussionen 
  
165 Gesetz vom 22. Januar 1936 betreffend die Errichtung einer Gewerbegenossenschaft (GewGenG), LGBI 1936/2. 
156 Gesetz vom 25. Oktober 2006 betreffend die Schaffung der Rechtsgrundlagen zur Überführung der Gewerbe- und Wirt- 
schaftskammer in eine privatrechtliche Organisationsform, LGBI 2006/252. 
167 Ausführlich zur Entwicklung des Gemeinderechts in Liechtenstein: Schiess, Die historische Entwicklung des liechtenstei- 
nischen Gemeinderechts, Arbeitspapiere Liechtenstein-Institut Nr. 50 (2015). 
168 Marguardt, Bürgergenossenschaft, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon 
des Fürstentums Liechtenstein I (2013) 131. 
19 Bussüser, Stellungnahme zum Postulat betreffend die Bedeutung und Sinnhaftigkeit des Gemeindebürgerrechts (2014) 6. 
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