DT 1d U N IV E R S ITAT Genossenschaftswesen Liechtenstein
LIECHTENSTEIN
Rechtliche Ausgestaltung des Genossenschaftswesens in Liechtenstein
lic.iur. Márten Geiger, LL.M. (Brügge)
Bartlegroschstr. 9, 9490 Vaduz
+423 233 23 55
maerten.geiger @ gmx.li
Immatrikulationsnummer: FS120335
Masterthesis
Zur Erlangung des Grades
LL.M. (Gesellschafts-, Stiftungs- und Trustrecht)
Universität Liechtenstein
Graduate School
Studiengang: Executive Master of Laws (LL.M.) im Gesellschafts-, Stiftungs- und Trustrecht
Modul: Masterthesis
Gutachter: Prof. Francesco Schurr
Bearbeitungszeitraum: 1.10.2015 — 29.04.2016
Datum der Einreichung: 29.04.2016
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkungen 6
1 Begriff der Genossenschaft im liechtensteinischen Recht 8
2 Geschichte des Genossenschaftswesens 9
2.1 Allgemein 9
2.2 Fokus Liechtenstein 10
PR EROS EU RR 10
2.2.2 19. Jahrhundert................sssssssssssssssseseeeeeeeeseetet ente teenitissit iiti teresa dissi tiene teresa sessi ines esee nas 11
2.2.3 20. Jahrhundert...............ssssssssssssssssseseeeeeeehheetet ente teeniti siii iiti teresa dissi tiene teresa sessi ese s esee nas 12
2.2.4 2]. Jahrhundert................ssssssssssssssssseseeeeeehheetet ente teenitissit iiti teresa dissi tiene teresa sessi ese s esee nas 13
3 Bestandsaufnahme des heutigen Genossenschaftswesens in Liechtenstein 15
3. Statistische Daten 15
3.2 Literatur und Rechtsprechung 17
4 Regelungsgrundlage im Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) 19
4.1 Allgemeines 19
4.0 Entstehungsgeschichte 19
4.3 Rezeptionsvorlage 21
LEE EE Sn MM 21
4.3.2 OR-Entwurf 1919.........sssssssesseeseeeeeeeeeeret thee thet that test erit erit iiiter tiis testes strain rase tas tede ne dient 21
4.3.3 Spezialfall Kleine Genossenschaften ................. esses eene nnnn nns 22
4.4 Vergleich der aktuellen Regelung im PGR mit den Entwürfen zum PGR sowie zum OR 23
4.5 Vergleich der aktuellen Regelungen im PGR und im OR 26
4.6 Regelung in Liechtenstein vor Erlass des PGR 28
5 Typologie der Genossenschaften nach PGR 29
5.1 Eingetragene Genossenschaften 29
5.1.1 Überblick über die rechtlichen Grundlagen «ee sse 29
5.1.1.1 Systematik der gesetzlichen Regelung im PGR... R ARE RER EEE 29
5.1.1.2 Legaldefinition (Art 428 PGR)............. sss eene nnn nnnn nnns nnn inns nennen 30
5.1.1.3 Entstehung (Art 429—435 PGR) ..........ssssssssssssssssee seen ennt einn nnnt einn tn ntis nnn nnns 32
5.1.1.4 Mitgliedschaft (Art 436—470 PGR) ............ sse enne nnne nnns nennen 33
Genossenschaftswesen Liechtenstein
5.1.1.5 Organisation (Art 471—478 PGR)..........ssssssssssssseseee enne enne enhn nennen snnt nnn
5.1.1.6 — Verwendung des Vermógens einer liquidierten Genossenschaft (Art 479-481 PGR) ......
5.1.1.7 Umwandlung und Fusion (Art 482 PGR)................. sese AR RAR KRARKE ER EE RE EEKEG
5.1.2. Bedeutung in Liechtenstein.............. esses eene nnne enne tnnn then nnnt nente nter tne e
5.1.2.1 Genossenschaft Wasserversorgung Liechtensteiner Unterland (WLU) ............................
5.1.2.2 Genossenschaft für sozial-psychiatrische Betreuung ....................s sss
5.1.2.3 Liechtensteiner Milchverband (LIMV).........ccoi iirc eee
5.1.2.4 Wohnbaugenossenschaft Liechtensteil ss EEE cece cece cee
5.1.2.5 Theater am Kirchplatz (TAK) ..….…........rrrcerrerenrrranerrsnsaranerrsn sa ranerr anna sane casa eee eee nn
5.1.2.6 Archiv-Atelier SPINIEU .…..….....………uerasrrssrsarren ren ren raresese rase rasacasacane rade rat antenne cannes nnns
5.1.2.7 Genossenschaft für Heizôl-LagerhaltUng ………..….…rrirersrassrasrasecase rase ranean R EEE EEE E EEE EEG
5.1.2.8 — Solargenossenschaft Liechtenstein ….………..………eamennnmennnnnnnnnn+nnnnnnnnnnen
5.2 Nicht eingetragene Genossenschaften (Kleine Genossenschaften)
5.2.1 Überblick über die rechtlichen Grundlagen ................ seen
5.2.2. Bedeutung in Liechtenstein.............. esses enne tne tenente nene nnne tne
5.2.2.1 Alpgenossenschaften ................. sss enne tnt stntntnst traten rn entes nennt
5.2.2.2 — Winzergenossenschaften ……………..…inenannennennnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnmnnñnennn
5.2.2.3 | Neue Idee: Innovationsgenossenschaften .................. sse
6 Genossenschaftsformen mit spezialgesetzlicher Grundlage
6.1 Bürgergenossenschaften
ANM VOD MM
6.1.2 Überblick über die rechtlichen Grundlagen ................ seen
6.1.3 Bestandsaufnahme ..............ssessessesseseseeee eee eene ennt entren hh estne tens tenente ne tenente tne
6.1.4 Bedeutung in Liechtenstein............... esses eene nnne enne tne tenente nter tne
6.2 Europäische Genossenschaften (SCE)
PAM SUC RM
6.2.2 Überblick über die rechtlichen Grundlagen ................ seen
6.2.3 Bestandsaufnahme und Bedeutung in Liechtenstein................... eere
7 Vergleich der Genossenschaften gemäss PGR, BüGG und SCE-VO
8 Schlussbetrachtungen
Literaturverzeichnis
Anhang 1: Das Genossenschaftsrecht im PGR (Version 2016) im Vergleich
Anhang 2: Entwurf der Genossenschaftsbestimmungen im PGR (Nachlass Wilhelm Beck)
Eidesstattliche Erklärung
cee 36
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Genossenschaftswesen Liechtenstein
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Zusammenfassung
Das Genossenschaftswesen in Liechtenstein basiert auf drei unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen,
dem Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR), dem Gesetz über die Bürgergenossenschaften (BüGG)
sowie der Verordnung über die Europáische Genossenschaft (SCE-VO). Derzeit existieren 29 nach
Liechtensteinischem Recht errichtete PGR-Genossenschaften, zudem fünf Bürgergenossenschaften so-
wie fünf Europäische Genossenschaften.
Die Grundlagen des Genossenschaftswesens in Liechtenstein greifen viele Jahrhunderte zurück, weit
vor die Entstehung der heute vorliegenden gesetzlichen Regelungen. Genossenschaften hatten existen-
ziellen Einfluss auf das Leben der Einwohner Liechtensteins und prägten die Entstehung des heutigen
Gemeindewesens. Entsprechend dieser historisch gewachsenen Bedeutung befinden sich noch heute
42,6 % der liechtensteinischen Landesfläche im Eigentum von Genossenschaften.
Die Regelung der privatrechtlichen Genossenschaften im PGR basiert zu einem grossen Teil auf einem
Vorentwurf zum Schweizer Obligationenrecht (OR) aus dem Jahr 1919. Neben den eingetragenen Ge-
nossenschaften sieht das PGR auch eine Spezialregelung für nicht eintragungspflichtige Genossenschaf-
ten vor, sogenannte ‚Kleine Genossenschaften‘. Nach diesen Bestimmungen sind bis heute viele land-
wirtschaftliche Genossenschaften organisiert, insbesondere die Alpgenossenschaften.
Mit dem Gesetz über die Bürgergenossenschaften wurde 1996 eine eigene gesetzliche Grundlage ge-
schaffen zur Entflechtung des Eigentums der alten Nutzungsstrukturen der sogenannten Bürgergemein-
den sowie der historisch Jüngeren politischen Gemeinden. In fünf Gemeinden haben sich die Stimmbe-
rechtigten für die Fortführung dieser Trennung und die Schaffung von Bürgergenossenschaften ent-
schieden. Wie die Alpgenossenschaften greifen auch diese auf Genossenschaftsstrukturen aus der Ver-
gangenheit zurück, welche die gemeinsam reglementierte Nutzung landwirtschaftlicher Güter betrafen.
Europäische Genossenschaften (SCE) zeichnen sich dadurch aus, dass mehrere Gründer aus verschie-
denen Ländern involviert sind. Durch die harmonisierte Rechtsform soll diesen Genossenschaften vom
Sitzstaat aus ein grenzüberschreitendes Tätigwerden im ganzen Europäischen Wirtschaftsraum erleich-
tert werden.
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Vorbemerkungen
Am Anfang dieser Arbeit stand die Erkenntnis, dass einerseits kaum Juristische Literatur zum liechten-
steinischen Genossenschaftswesen vorliegt, andererseits Genossenschaften in Liechtenstein über die
vergangenen Jahrhunderte für die Existenzsicherung der einheimischen Bevölkerung eine zentrale Rolle
spielten. Zudem kommt ihnen eine tragende Rolle bei der Herausbildung des liechtensteinischen Ge-
meindewesens zu.' Im Bericht und Antrag zum Gesetz über die Bürgergenossenschaften hált die Regie-
rung hinsichtlich der heutigen politischen Gemeinden fest: „Sie waren Genossenschaften, bevor sie sich
zum staatlichen Selbstverwaltungskörper entwickelten.“?
Eine Folge dieser Geschichte ist es, dass bis heute ein beträchtlicher Anteil des liechtensteinischen
Grundbesitzes von Genossenschaften gehalten wird. Konkret befinden sich heute noch 42,6 % der liech-
tensteinischen Landesfläche im Eigentum von Genossenschaften. Als Vergleich dazu nennen die poli-
tischen Gemeinden als zweitgrösste Grundeigentümer lediglich 29,2 % der Landesfläche ihr Eigentum,
gefolgt von Privaten mit 25,5 % sowie dem Land Liechtenstein mit 2,7 %.
Hinzu kommt die Erfahrung, dass Genossenschaften weit verbreitet lediglich als ein Erbe der landwirt-
schaftlichen Vergangenheit wahrgenommen werden. Diese einschränkende Perspektive wurde in den
letzten Jahren durch die Gründung der ersten Wohnbaugenossenschaft in Liechtenstein auch in breiteren
Bevölkerungskreisen durchbrochen und um eine neue Facette ergänzt. Umso erstaunlicher ist es, dass
kaum Juristische Literatur noch veröffentlichte Rechtsprechung zum liechtensteinischen Genossen-
schaftswesen existiert.
Entsprechend soll mit dieser Arbeit ein Überblick über das Genossenschaftswesen in Liechtenstein aus
rechtlicher Perspektive vorgelegt werden, um die vielfältige historische Literatur zum Genossenschafts-
wesen zu ergänzen. Da ein Überblick gezwungenermassen viele Details nicht ausleuchten kann, soll
zudem dazu motiviert werden, zu den vielen in diesem Rahmen nicht zu bewältigenden Einzelfragen
vertiefte Juristische Analysen und Nachforschungen hinzuzufügen.
Von Seiten der Genossenschaften ist das Interesse an solchen Arbeiten gross, wie die zahlreichen Ant-
worten und Gesprächsangebote auf ein Schreiben des Autors zeigen, welches er im Herbst 2015 an alle
ihm bekannten liechtensteinischen Genossenschaften schickte. Viele Statuten und Unterlagen wurden
ihm auf diesem Weg übergeben, unzählige interessante Gespräche ermöglicht. Für die Hilfsbereitschaft
und die bereichernden Begegnungen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
! Sh Marquardt, Genossenschaft, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon des
Fürstentums Liechtenstein I (2013) 286.
? BuA Nr 68/1990, 3.
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Genossenschaftsgrundstücke
Legende
EN Bürgergenossenschaften
rp Alpgenossenschaften
mw Andere Genossenschaften
[ ] Gemeindegrenzen
Fláchenanteile
m? %
Landesgrundstücke 4'356'878 27
Gemeindegrundstücke 46'827'631 29.2
42'515'842 26.5
25'772'466 16.1
10'596 0.0
Rest (Privatgrundstiicke) 40'993'268 25.5
Landesfláche Liechtenstein 160'476'681 100.0
Plangrundlage: Amt für Bau und Infrastruktur Vaduz, 24. Februar 2016
Zusammenstellung der von Genossenschaften gehaltenen Grundstücke in Liechtenstein, erstellt vom
Liechtensteiner Amt für Bau und Infrastruktur (ABI) im Auftrag des Verfassers dieser Arbeit.
Genossenschaftswesen Liechtenstein
1 Begriff der Genossenschaft im liechtensteinischen Recht
Im liechtensteinischen Recht bestehen drei unterschiedliche Legaldefinitionen des Genossenschaftsbe-
griffs, da drei verschiedenen Organisationsformen von Genossenschaften bestehen. Dies sind die pri-
vatrechtlichen Genossenschaften, die Bürgergenossenschaften sowie die Europäischen Genossenschaf-
ten (SCE).
Im Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR)? werden Genossenschaften in Art 428 Abs 1 wie folgt de-
finiert: ,,Die Genossenschaft ist eine als Kórperschaft organisierte Verbindung einer nicht geschlossenen
Zahl von Personen oder Handelsgesellschaften, deren Hauptzweck in der Fórderung oder Sicherung
bestimmter wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe besteht.“
Im Gesetz über Bürgergenossenschaften (BüGG)* werden diese als Körperschaften des öffentlichen
Rechts definiert, die aus ihren Mitgliedern bestehen und sich im Rahmen des gesetzlich definierten Re-
gelungsverfahrens gebildet haben. Gemäss Art 2 BüGG ist es ihr Ziel, in Fortführung der alten Rechte
und Übungen das Genossenschaftsgut zu verwalten und zu wahren und ihren Mitgliedern Anteil an
dessen Nutzung zu gewähren.
Unter Europäischen Genossenschaften (SCE) wiederum sind diejenigen Genossenschaften zu verstehen,
die in Anwendung der Bestimmungen der Verordnung über die Europáische Genossenschaft gegründet
wurden. Diese finden dank ihrer Übernahme in das EWR-Abkommen auch in Liechtenstein Anwendung.
Gemäss Art 1 Abs 2 der SCE-VO zeichnen sich SCE dadurch aus, dass Mitgliederzahl und Grundkapital
veränderlich sind, letzteres in Geschäftsanteile zerlegt ist und der Hauptzweck in der Bedarfsdeckung
oder Fórderung wirtschaftlicher oder sozialer Tütigkeiten der Genossenschafter liegt.
Diese unterschiedlichen Definitionen sowie die weiteren Vorschriften zu den jeweiligen Genossen-
schaftsformen werden in den einzelnen Kapiteln dieser Arbeit genauer beleuchtet. Davor ist zum besse-
ren Verständnis der unterschiedlichen Definitionselemente ein Blick in Herkunft und Geschichte der
genossenschaftlichen Organisationsformen hilfreich.
3 Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) vom 20. Januar 1926, LGBI 1926/4, LR 216.0.
* Gesetz vom 20. März 1996 über die Bürgergenossenschaften (BÜGG), LGBI 1996/77, LR 141.1.
5 VO (EG) 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABI L 2003/207,
1 (SCE-VO).
Genossenschaftswesen Liechtenstein
2 Geschichte des Genossenschaftswesens
2.1 Allgemein
Die Geschichte der Genossenschaften ist geprägt von zwei Ursprüngen. Es ist zu unterscheiden zwi-
schen den modernen Genossenschaften und denjenigen der vorliberalen Zeit.^ Diese entstanden in den
letzten Jahrhunderten als Zusammenschlüsse zur Organisation der landwirtschaftlichen Selbstversor-
gung, meist verbunden mit der Nutzung von Grund und Boden und beschränkt auf ein gewisses ráum-
liches Gebiet." ,,Im Rahmen der in diesem Zeitraum vorherrschenden herrschaftlich-genossenschaftli-
chen Agrarverfassung war das Genossenschaftsprinzip eines der tragenden Grundelemente der Land-
nutzung.'^ Die heutigen Bürger- und Alpgenossenschaften in Liechtenstein gehen auf diese Zeit zu-
rück.?
In einer zweiten Welle folgten die Genossenschaftsgründungen um die Mitte des 19. Jahrhunderts'?,
entstanden vor dem Hintergrund der industriellen Revolution und geprágt von charismatischen Grün-
derfiguren wie Robert Owen in Grossbritannien, Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Raiffeisen
in Deutschland, sowie Charles Fourier, Louis Blanc und Saint Simon in Frankreich.!! In Grossbritannien
lag dabei der inhaltliche Schwerpunkt auf Konsumgenossenschaften, in Deutschland auf Kreditgenos-
senschaften und in Frankreich auf Arbeiter-Produktivgenossenschaften.? Zielsetzung dieser neuzeitli-
chen Genossenschaftsbewegung war dabei immer die ,, Verbesserung der sozialen Lage durch gemein-
same Selbsthilfe.*^ Deren Ursprung liegt in der Gründung der sogenannten ,Redlichen Pioniere von
Rochdale‘ in Grossbritannien. Im Jahre 1844 eróffneten dort einige arme Leinenweber gemeinsam einen
Laden. Durch gemeinsamen Einkauf und Vertrieb wollten sie Waren günstig erwerben. Die formulierten
6 Forstmoser, Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band VII/A4, Die Genossenschaft, Lieferung 1, Systemati-
scher Teil und Art. 828-838 OR (1972) ST Rz 35.
? Für eine detaillierte Darstellung der Entwicklung im Gebiet des heutigen Liechtensteins, sh Ospelt, Wirtschaftsgeschichte des
Fürstentums Liechtenstein im 19. Jahrhundert, Von den napoleonischen Kriegen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges
(1974) 107 ff.
Für eine geographisch weiter gefasste Darstellung: Schennach, Zwischen Partizipation und Exklusion? Rechtliche Nutzungs-
regime am Gemeinschaftsgut im Alpenraum aus rechtshistorischer Perspektive, in: Schumacher/Zimmermann (Hrsg.), 90
Jahre Oberster Fürstlicher Gerichtshof, FS Delle Karth (2013) 795.
5 Marquardt, Genossenschaft 286.
? Marquardt, Agrarverfassung, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon des Fürs-
tentums Liechtenstein I (2013) 9; sowie Marquardt, Genossenschaft 286.
10 Für eine detaillierte Diskussion, inwiefern das moderne Genossenschaftswesen als eine "Fortsetzung oder Erneuerung der
früheren genossenschaftlichen Daseinsformen" verstanden werden kónne, sh Engelhardt, Allgemeine Ideengeschichte des
Genossenschaftswesens, Einführung in die Genossenschafts- und Kooperationslehre auf geschichtlicher Basis (1985) 84 ff.
!! Für eine detaillierte Darstellung, sh Bolsinger, Die Genossenschaft als Kooperationsmodell für symbiotische KMU-Netz-
werke, Eine Vision zukunftsfáhiger Kooperativen für den Mittelstand (2006) 175 ff.
12 Reymond/Trigo Trindade, Die Genossenschaft, in Grossen et al. (Hrsg), Schweizerisches Privatrecht VIII/5 (1998) 8.
13 Forstmoser, Berner Kommentar ST Rz 37.
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Grundsätze der Rochdaler Pioniere und die Ideen, von denen sie sich leiten liessen, sind grundlegend
geworden für die gesamte Genossenschaftsbewegung und werden bis heute immer wieder beigezogen.!*
Konsequenz dieser gemeinsamen Entstehungsgeschichte in unterschiedlichen Ländern „als Reaktion
auf vergleichbare wirtschaftliche und soziale Gegebenheiten ^5 ist aus rechtlicher Sicht eine grosse Ein-
heitlichkeit der Regelungen in den einzelnen Jurisdiktionen hinsichtlich der Grundlagen. Bei Einzelfra-
gen wurden jedoch durchaus verschiedene Antworten gefunden. Entsprechend „ist die Rechtsverglei-
chung in diesem Bereich einerseits wenig interessant, wenn man die Grundlagen ins Auge fasst, ande-
rerseits von nicht zu unterschätzendem praktischen Nutzen, wenn man Einzelfragen prüft. ^6
2.2 Fokus Liechtenstein
Bezogen auf Liechtenstein können in der Geschichte und gesellschaftlichen Bedeutung des Genossen-
schaftswesens während der vergangenen Jahrhunderte vier Zeiträume unterschieden werden, nämlich
die Zeit vor 1808 sowie das 19., 20. und 21. Jahrhundert. "7
2.2.1 Vor 1808
In den Jahrhunderten vor 1808 war das Gebiet des heutigen Liechtenstein geprägt von einer herrschaft-
lich-genossenschaftlichen Agrarverfassung, nach welcher die Nutzung des zur Verfügung stehenden
Landwirtschaftsbodens organisiert war. Diese zeichnete sich durch das Zusammenwirken dreier Instan-
zen aus: der Grundherrschaft durch Adel oder Klöster, dem Siedlungsverband als genossenschaftlich
strukturierte Gemeinschaft zur Nutzung der Allmende sowie der einzelnen Familien und Verwandt-
schaften. Wenn auch die konkrete Abgrenzung der kollektiven und der individuellen Rechte unter-
schiedlich ausgestaltet war, so lässt sich tendenziell feststellen, dass “Wälder und Weiden samt Alpen
[... ] regelmässig als ungeteilte Gesamtfläche der örtl. ‘Allgemeinheit’ zugeordnet””® waren. Den einzel-
nen Haushalten war nur ein geringer Grundbesitz ins alleinige Eigentum übertragen. „Er umfasste das
eigene Haus und den unmittelbaren, eng begrenzten Gartenbereich.““!?
^ Forstmoser, Berner Kommentar ST Rz 38.
15 Reymond/Trigo Trindade, Genossenschaft 23.
16 Reymond/Trigo Trindade, Genossenschaft 23. Sh dazu detailliert Forstmoser, Berner Kommentar ST Rz 644 ff.
7 Für eine detaillierte Darstellung der historischen Entwicklung der heutigen politischen Gemeinden aus genossenschaftlichem
Ursprung im Vergleich zu den Entwicklungen in Vorarlberg und St. Gallen, sh Kühne, Untersuchung über den rechtlichen
Status des Bürgernutzens (Gemeindegutes) in den liechtensteinischen Gemeinden nach Gemeindegesetz und gemeindlichen
Nutzungsstatuten zur Prüfung von Notwendigkeit und Lósungen einer Neuregelung in Revision des Gemeindegesetzes (1983)
5 ff.
55 Marquardt, Allmende, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon des Fürsten-
tums Liechtenstein I (2013) 12.
19 Biedermann, Genossenschaften in Liechtenstein, in: Vollkommer/Büchel (Hrsg), 1712. Das Werden eines Landes (2012) 227.
10
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Angesichts der Tatsache, dass um 1800 noch rund 90 % der liechtensteinischen Familien in der Land-
wirtschaft ihr Auskommen fanden” und ausser mit Lehensgütern und eigenem Grund besonders “mit
umfangreichem Gemeinbesitz und in komplexen genossenschaftl. Bindungen”?! wirtschafteten, wird die
grosse wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung genossenschaftlicher Organisationsformen of-
fensichtlich. Das Genossenschaftsprinzip war „eines der tragenden Grundelemente der Landnutzung. ””??
Losgelöst vom Element der kollektiven Landnutzung bestanden zudem Brunnengenossenschaften, die
erst im frühen 20. Jahrhundert mit Einführung der allgemeinen Wasserversorgung aufgelöst wurden,
sowie Rodgenossenschaften. Diese organisierten den Warentransport auf dem Liechtenstein querenden
Teil des alten Handelswegs zwischen Deutschland und Italien. Dabei „beförderten in lokalen
Genossenschaften organisierte Bauern die ihnen anvertrauten Waren jeweils von einem Lagerhaus (auch
‚Zuschg‘ genannt) zum nächsten.“2
Vor oben dargestelltem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass genossenschaftliches Den-
ken und Handeln das Leben im Gebiet des heutigen Liechtensteins zur damaligen Zeit prägte. Es ist
schwer vorstellbar, dass jemand nicht in der einen oder anderen Form mit Genossenschaften in Verbin-
dung stand.
2.2.2 19. Jahrhundert
Das 19. Jahrhundert begann mit einem markanten Wendepunkt hinsichtlich der Bedeutung der Genos-
senschaften. Mit landesfürstlicher Dienstinstruktion von 1808 wurde aufgetragen, das gemeinsam ge-
nutzte Landwirtschaftsgebiet unter allen Bürgern aufzuteilen und ins Privateigentum zu übertragen. Die-
ser Übertrag war mit der Verpflichtung verbunden, die zugeteilten Grundstücke urbar zu machen, an-
sonsten sie wieder entzogen würden.*
Diese herrschaftlich aufgezwungene Privatisierungswelle stand im Kontext der Bauernbefreiung, wach-
sender Bevólkerung und einer zeittypischen physiokratisch-liberalen Wirtschaftslehre, die sich davon
eine Steigerung von Produktion und Wohlstand für die wachsende Bevólkerung versprach. Sie stiess
bei der Mehrheit der lokalen Bevölkerung auf grossen Widerstand und gelang entsprechend auch nur
20 Ospelt, Wirtschaftsgeschichte 146.
?! Ospelt, Landwirtschaft, 19. Jahrhundert (1800-1924), in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), His-
torisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein I (2013) 494.
? Marquardt, Genossenschaft 286.
23 Biedermann, Genossenschaften in Liechtenstein 233. Ausführlich dazu: Biedermann, Das Rod- und Fuhrwesen im Fürsten-
tum Liechtenstein. Eine verkehrsgeschichtliche Studie mit besonderer Berücksichtigung des späten 18. Jahrhunderts, in:
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liech-
tenstein, Band 97 (1999) 7-183.
% Ospelt, Wirtschaftsgeschichte 117.
11
Genossenschaftswesen Liechtenstein
teilweise. Trotzdem setzte sie einen Reformprozess in Gang, der die Bedeutung der Genossenschaften
tiefgreifend veränderte. Während zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch der Grossteil der landwirtschaft-
lichen Nutzfläche als Gemeingut bewirtschaftet wurde, befanden sich 1842 bereits 42 % in privater
Hand. Bis Ende des Jahrhunderts stieg dieser Anteil auf 70 96.5
Durch den Wechsel von der Selbstversorgungs- zu einer marktorientierten Milchwirtschaft wurden in
der zweiten Hálfte des 19. Jahrhunderts mehrere Sennerei-Genossenschaften gegründet, so zum Beispiel
1879 in Mauren und 1888 in Triesen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts bestanden 13 solche Sennerei-
Genossenschaften, die erst mit der Eróffnung eines zentralen Milchverwertungsbetriebs in Schaan 1974
an Bedeutung verloren und nach und nach aufgelóst wurden?
Gleichzeitig verlor die Landwirtschaft auch in Liechtenstein zunehmend an Bedeutung und der Über-
gang zu einer Industriegesellschaft wurde auch hier spürbar. Entsprechend der Entwicklungen im Aus-
land kamen auch in Liechtenstein neue Genossenschaftsformen ausserhalb des landwirtschaftlichen Be-
reichs auf, so insbesondere mehrere Konsumvereine, mit welchen die Arbeiter der Fabriken in Vaduz
und Triesen gemeinsam gróssere Mengen an Lebensmitteln und Gütern des táüglichen Bedarfs einkauften,
um sie anschliessend günstig an die Genossenschafter zu verkaufen. So bestand zum Beispiel zwischen
1893 und 1924 in Vaduz der ,Konsum-Verein Mühleholz', der 1896 bereits 292 Mitglieder verzeich-
nete." Er unterhielt eine Filiale in Triesen, betrieb eine Bäckerei und produzierte auch eigene Limo-
nade.
2.2.3 20. Jahrhundert
Das 20. Jahrhundert war geprágt vom Wechsel von einer Agrar- zu einer Industrie- und Dienstleistungs-
gesellschaft. Entsprechend verloren die Genossenschaften mit landwirtschaftlichem Hintergrund immer
mehr an Bedeutung und neue Genossenschaftsformen kamen auf.
Die zunehmende Mechanisierung der Landwirtschaft brachte es mit sich, dass nicht jeder Landwirt-
schaftsbetrieb alle Maschinen selbst anschaffte sondern dazu eigene Genossenschaften gegründet wur-
den. Ein Beispiel ist die 1954 gegründete Liechtensteinische Grastrocknungsgenossenschaft.??
?5 Ospelt, Wirtschaftsgeschichte 143.
?5 Marquardt, Sennerei, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon des Fürstentums
Liechtenstein II (2013) 877 f.
?! Ospelt, Wirtschaftsgeschichte 260.
?$ Frommelt, Konsumverein, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon des Fürs-
tentums Liechtenstein I (2013) 452.
? Marquardt, Genossenschaft 286.
12
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Weiter entstanden im Laufe des Jahrhunderts vermehrt auch im nicht-landwirtschaftlichen Bereich neue
Genossenschaften, so zum Beispiel 1960 die ‚Wasserversorgung Liechtensteiner Unterland (WLU) ein-
getragene Genossenschaft ^?, 1972 die , Theater am Kirchplatz eG“ oder 1992 die ‚Solargenossenschaft
Liechtenstein‘.
Auf rechtlicher Ebene wurde mit dem Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) von 1926 ein neuer Re-
gelungsrahmen für das gesamte Gesellschaftswesen in Liechtenstein geschaffen, das in den Art 428—
495 auch das Genossenschaftswesen auf neue rechtliche Beine stellte, insbesondere auch die landwirt-
schaftlichen und Alpgenossenschaften als Relikte der herrschaftlich-genossenschaftlichen Agrarverfas-
sung. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde mit dem Gesetz über die Bürgergenossenschaften
von 1996 auch für das letzte Überbleibsel dieser Zeit eine neue rechtliche Regelung gefunden.
2.2.4 21. Jahrhundert
Die ersten Jahre des 21. Jahrhunderts waren geprigt von den Entscheidfindungsprozessen in den einzel-
nen Gemeinden hinsichtlich der möglichen Gründung einer Bürgergenossenschaft. Nach teils jahrelan-
gen Diskussionen haben sich fünf Gemeinden für eine solche Gründung entschieden (Triesen, Eschen,
Balzers, Mauren, Vaduz), in den anderen sechs Gemeinden wurde die Einheitsgemeinde gewählt. Nach
und nach wurden die genannten Bürgergenossenschaften gegründet, zuletzt 2010 in Vaduz, und sie be-
gannen sich als neue Akteure des Genossenschaftswesens zu etablieren. Angesichts der Tatsache, dass
die Bürgergenossenschaften in den betreffenden Gemeinden bedeutende Grundeigentümer sind, ist de-
ren wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung offensichtlich.
Ergänzend zur bestehenden rechtlichen Ausgestaltung des liechtensteinischen Genossenschaftswesens
kam im Jahre 2007 mit den Regelungen zur Europäischen Genossenschaft (Societas Cooperativa Euro-
paea, SCE) eine weitere gesetzliche Grundlage für genossenschaftliche Organisationen hinzu, die zwi-
schenzeitlich zu mehreren Neugründungen dieser Genossenschaftsform geführt hat.
Als weiteres Novum wurde im Jahr 2014 die erste Wohnbaugenossenschaft Liechtensteins gegründet.
Im Zusammenhang mit der Gründung und dem ersten Bauprojekt in Vaduz hat die Wohnbaugenossen-
schaft einerseits viel Publizitüt gesucht, wurde aber auch mit viel interessierter Presse bedacht. Dadurch
kam eine weitere Facette des Genossenschaftswesens hinzu, die vorher trotz grosser Verbreitung im
umgebenden Ausland in Liechtenstein bis anhin nicht existiert hat. Die nüchsten Jahre werden zeigen,
9? Ausführlich dazu Genossenschaft Wasserversorgung Liechtensteiner Unterland (Hrsg), Wasserversorgung Liechtensteiner
Unterland, FS zum Jubiláum 50 Jahre Wasserversorgung Liechtensteiner Unterland WLU (2010).
13
Genossenschaftswesen Liechtenstein
welche wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung Wohnbaugenossenschaften auf dem teuren
Wohnungsmarkt in Liechtenstein erlangen werden.
14
Genossenschaftswesen Liechtenstein
3 Bestandsaufnahme des heutigen Genossenschaftswesens in Liechtenstein
3.1 Statistische Daten
Im Liechtensteiner Recht gibt es Genossenschaften auf drei unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen.
Diese sind das Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) aus dem Jahr 1925, das Gesetz über die Bürger-
genossenschaften (BüGG) sowie die Verordnung über die Europäische Genossenschaft (SCE-VO), die
dank ihrer Übernahme in das EWR-Abkommen auch in Liechtenstein Anwendung findet.
Per Stand vom 4. April 2016 sind im Handelsregister 23 Genossenschaften nach Liechtensteiner Recht
eingetragen. Diese lassen sich unterteilen in fünf Bürgergenossenschaften, dreizehn eingetragene Ge-
nossenschaften gemäss PGR sowie fünf Europäische Genossenschaften.
Zudem sind sechs Zweigniederlassungen oder Repräsentanzen Schweizer Genossenschaften in Liech-
tenstein im Handelsregister eingetragen, wobei diejenigen der Schweizer Konsumgenossenschaften
Migros und Coop am bekanntesten sind.
Darüber hinaus sind dem Autor derzeit 16 nicht eingetragene Genossenschaften gemäss PGR bekannt,
sogenannte Kleine Genossenschaften. Mehr als die Hälfte davon sind Alpgenossenschaften.
Aufgrund der Tatsache, dass diese Genossenschaften auf Grundlage von Art 483—495 PGR nicht im
Handelsregister eingetragen werden müssen, ist davon auszugehen, dass noch weitere solche Genossen-
schaften bestehen, die trotz umfangreicher Internetrecherche sowie persónlicher Befragungen nicht aus-
findig gemacht werden konnten. Einerseits dürfte es sich dabei um alte Genossenschaften aus dem land-
wirtschaftlichen Bereich handeln, die ihre Bedeutung verloren haben und um die sich seit Jahren nie-
mand mehr kümmert. Mangels formeller Auflósung bestehen sie jedoch fort. Andererseits ist davon
auszugehen, dass seit der vor wenigen Monaten erfolgten Bekanntgabe der Idee der Liechtenstein Ven-
ture Cooperative (LV C), was mit ,Innovationsgenossenschaft/ übersetzt werden kann, auch bereits sol-
che gegründet worden sind. Da gerade zu Beginn eines solchen Projekts die Diskretion der Nichteintra-
gung willkommen ist, muss es dabei vorerst bei der Vermutung bleiben.
Zusammenfassend lässt sich folglich sagen, dass derzeit mindestens die unten aufgelisteten 39 Genos-
senschaften nach Liechtensteiner Recht bestehen.
15
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Rechts- Eintragung
Firma form? Handelsregister
Bürgergenossenschaft Triesen BüG 23.02.2004
Bürgergenossenschaft Eschen BüG 22.09.2004
Bürgergenossenschaft Balzers BüG 10.01.2005
Bürgergenossenschaft Mauren BüG 14.06.2005
Bürgergenossenschaft Vaduz BüG 21.01.2011
Milchverwertungsgenossenschaft Balzers EGen 06.01.1939
Wasserversorgung Liechtensteiner Unterland (WLU) eG EGen 16.09.1960
Liechtensteiner Milchverband eingetragene Genossenschaft EGen 06.06.1968
Theater am Kirchplatz eG EGen 16.10.1972
Sennereigenossenschaft Gamprin EGen 01.01.1974
Milchverwertungsgenossenschaft Mauren EGen 08.05.1980
Sennereigenossenschaft Ruggell EGen 01.10.1980
Solargenossenschaft Liechtenstein EGen 11.06.1992
Archiv-Atelier Spinieu eG EGen 10.02.2009
CAR-GENOSSENSCHAFT eG EGen 18.12.2012
wbl Wohnbaugenossenschaft in Liechtenstein e.G. EGen 21.03.2014
Gartenkooperative Region Liechtenstein-Werdenberg e.G. EGen 05.03.2015
Gewerbe- und Wirtschaftskammer für das Fürstentum Liechtenstein
(GWK) EGen 04.05.2005
Alpgenossenschaft Gapfahl-Güschgle NeGen
Alpgenossenschaft Gritsch NeGen
Alpgenossenschaft Gross Steg NeGen
Alpgenossenschaft Guschg NeGen
Alpgenossenschaft Guschgfiel NeGen
Alpgenossenschaft Kleinsteg NeGen
Alpgenossenschaft Silum NeGen
Alpgenossenschaft Triesenberg NeGen
Alpgenossenschaft Vaduz NeGen
Schafzuchtgenossenschaft Oberland NeGen
Schafzuchtgenossenschaft Unterland NeGen
Viehzuchtgenossenschaft Balzers NeGen
Viehzuchtgenossenschaft Triesenberg NeGen
Viehzuchtgenossenschaft Vaduz NeGen
Winzergenossenschaft Balzers-Mäls NeGen
Winzergenossenschaft Vaduz NeGen
ALTINA Global Network SCE SCE 24.02.2010
FAMILY OF POWER OF FAMILY SCE mit beschränkter Haftung | SCE 14.02.2013
REALE WERTE WOHNEN SCE SCE 21.03.2014
World of Packaging SCE SCE 07.07.2015
adamas Europáische Genossenschaft für Immobilienrendite SCE
mit beschränkter Haftung SCE 03.09.2015
3l Legende: BüG: Bürgergenossenschaft; EGen: Eingetragene Genossenschaft; NeGen: Nicht eingetragene Genossenschaft;
SCE: Europäische Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea)
16
Genossenschaftswesen Liechtenstein
3.2 Literatur und Rechtsprechung
Aufgrund der oft existenziellen Bedeutung verschiedener Genossenschaften in Liechtensteins Vergan-
genheit gibt es eine umfangreiche historische Literatur in Jubiläumsschriften und historischen oder hei-
matkundlichen Studien. Trotz dieser Tatsache sowie der oben dargestellten Vielzahl an unterschiedli-
chen Genossenschaften liechtensteinischen Rechts auf drei unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen
findet sich an juristischer Literatur zum liechtensteinischen Genossenschaftswesen derzeit lediglich ein
veröffentlichter Aufsatz aus dem Jahr 2015. Dieser entstand im Rahmen der Jubiläumsschrift der Alp-
genossenschaft Kleinsteg.?
Ebenfalls überschaubar ist die veróffentlichte Rechtsprechung zum liechtensteinischen Genossen-
schaftswesen. Zu den PGR-Genossenschaften findet sich lediglich ein veróffentlichtes Urteil des Obers-
ten Gerichtshofs aus dem Jahr 2003.5 Darin wurde festgestellt, dass auch in Liechtenstein Versiche-
rungsgenossenschaften zulássig sind, obwohl diese im PGR im Gegensatz zum Genossenschaftsrecht in
der Schweiz nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Zudem wurde festgehalten, dass hinsichtlich Beitritts-
oder Aufnahmegebühren einer Genossenschaft die Grundsätze und Hôchstgrenzen in den Statuten aus-
reichend genau festzulegen sind, ,,wobei eine ziffernmássige Fixierung nicht unbedingt erforderlich ist.
Der Genossenschafter ebenso wie auch Dritte müssen sich aber ein klares Bild von den (Hôchst-)Beträ-
gen machen können, welche die Genossenschaft verlangen darf.*
Die restliche veróffentlichte Judikatur bescháftigt sich mit der Gewerbegenossenschaft, einer heute nicht
mehr bestehenden Kórperschaft des óffentlichen Rechts auf spezialgesetzlicher Grundlage*. Aus der
Gewerbegenossenschaft ist die heutige Interessenvertretung Gewerbe- und Wirtschaftskammer (GWK)
hervorgegangen.
In einer Entscheidung der Verwaltungsbeschwerdeinstanz aus dem Jahr 1965? hat diese festgestellt,
dass in Analogie zum Genossenschaftsrecht im PGR anlässlich der Generalversammlung der Gewerbe-
genossenschaft unter dem Traktandum ,Freie Antráge lediglich Zusatzantrüge zu den in der Tagesord-
nung aufgenommenen Punkten gestellt werden können. Davon unabhängige Traktandenwünsche kön-
nen an der Generalversammlung nicht rechtsgültig vorgebracht und entschieden werden. „Wollen daher
3Sele/Lampert, Das rechtliche Umfeld der Alpgenossenschaft Kleinsteg, in Alpgenossenschaft Kleinsteg (Hrsg), 400 Jahre
Kauf Schádlersboden, Alpgenossenschaft Kleinsteg, 1406 . 1615 . 2015 (2015) 32.
53 OGH 9. Januar 2003, 1 Cg 2000.21-74, LES 2003, 274 ff.
34 OGH 9. Januar 2003, 1 Cg 2000.21-74, LES 2003, 274.
55 Gesetz vom 22. Januar 1936 betreffend die Errichtung einer Gewerbegenossenschaft (GewGenG), LGBI 1936/2.
36 Für mehr Informationen über die Wirtschaftskammer, sh deren Webseite: «www. wirtschaftskammer.li» (abgefragt am 10.
April 2016). Ausführlich dazu: Sele, Wirtschaftskammer Liechtenstein für Gewerbe, Handel und Dienstleistung, in Histori-
scher Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein II (2013) 1067
f.
37 VBI 6. Dezember 1965, ELG 1965, 9 ff.
17
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Genossenschaftsmitglieder die Behandlung von bestimmten Traktanden durch die Generalversammlung
erwirken, so müssen sie dieselben rechtzeitig der Verwaltung bekannt geben, damit eine Aufnahme in
die Tagesordnung vor Versand der Einladungen móglich ist.*55
Weiter haben sich die liechtensteinischen Gerichte mehrfach mit der Verfassungsmässigkeit von Art 1
des Gewerbegenossenschaftsgesetzes bescháftigt, welcher für die Betriebsinhaber in Handel, Gewerbe
und Industrie eine Pflichtmitgliedschaft vorsah. 1957% und 1988+ bestitigte der Staatsgerichtshof
(StGH) diese Regelung als verfassungskonform, 2004^! hob er sie als im Widerspruch zur Handels- und
Gewerbefreiheit und zur Vereinsfreiheit stehend auf. 42
Zu den Bürgergenossenschaften sowie den Europáischen Genossenschaften (SCE) besteht in Liechten-
stein bislang keine Judikatur — zumindest wurde auf den unterschiedlichen allgemein zugánglichen Pub-
likationsplattformen keine veróffentlicht.
38 VBI 6. Dezember 1965, ELG 1965, 9 (10).
¥ StGH 27. Marz 1957, ELG 1957 9 ff.
40 StGH 2. Mai 1988, StGH 11/1985, LES 1988, 94 ff.
^! StGH 29. November 2004, StGH 48/2003, publiziert unter www.gerichtsentscheidungen.li (abgefragt am 10. April 2016).
? Mit Gesetz vom 25. Oktober 2006 betreffend die Schaffung der Rechtsgrundlagen zur Überführung der Gewerbe- und Wirt-
schaftskammer in eine privatrechtliche Organisationsform, LGBl 2006/252, wurde die Gewerbe- und Wirtschaftskammer
von einer óffentlich-rechtlichen in eine privatrechtliche Genossenschaft gemäss Art 428 ff PGR überführt.
18
Genossenschaftswesen Liechtenstein
4 Regelungsgrundlage im Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR)
4.1 Allgemeines
Das Genossenschaftswesen ist im Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) in den Bestimmungen der
Art 428—495 geregelt. Diese gliedern sich in folgende sechs Kapitel:
- A. Im Allgemeinen (Art 428)
- B. Entstehung (Art 429-435)
- C. Mitgliedschaft (Art 436—470)
- D. Organisation (Art 471—478)
- E. Verwendung des Vermógens einer liquidierten Genossenschaft (Art 479—481)
- F. Umwandlung und Fusion (Art 482)
- G. Kleine Genossenschaften (Art 483—495)
4.2 Entstehungsgeschichte
Das Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) entstand nach den Wirren des 1. Weltkriegs im Kontext
der Kündigung des Zollvertrags mit Österreich und der Hinwendung Liechtensteins zur Schweiz.
Nachdem seit 1812 das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) in Liechtenstein
in Kraft war, sollte nunmehr in Anlehnung an das modernere schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB)
aus dem Jahr 1912 ein Liechtensteinisches Zivilgesetzbuch geschaffen werden.^ Dieses sollte fünf Ab-
teilungen umfassen (Sachenrecht, Obligationenrecht, Personen- und Gesellschaftsrecht, Familienrecht
und Erbrecht)?. Das Sachenrecht war der erste realisierte Teil, der vom Landtag 1922 verabschiedet
wurde.‘
Anschliessend folgte das Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) aus dem Jahr 1925. Dieses wurde
angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation Liechtensteins nach dem 1. Weltkrieg dem Obli-
gationenrecht vorgezogen, um Investitionen aus dem Ausland anzuziehen. So führte der Mitautor des
PGR, Wilhelm Beck, bei den Beratungen des PGR im Landtag an: “Die grosse Arbeit soll dem Lande
Vorteile bringen. Wenn wir unseren Leuten die Steuern erleichtern wollen, müssen wir neue Einkom-
mensquellen für den Staat schaffen."
43 Sh zu dieser Zeit ausführlich: Quaderer-Vogt, Bewegte Zeiten in Liechtenstein 1914 bis 1926 (2014).
^* Zur ganzen Entwicklung detailliert: Berger, Rezeption im liechtensteinischen Privatrecht unter besonderer Berücksichtigung
des ABGB (2011), 53 ff, sowie Bósch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (2005) 16 ff.
55 Berger, Rezeption 53.
^5 L GBI 1923/4. Der Entwurf dazu stammte vom Mitschópfer des PGR, Emil Beck, sh Quaderer-Vogt, Bewegte Zeiten 221.
^! Die Materialien zum PGR aus den Jahren 1925 bis 1928, Teil III: Landtagsprotokoll zum 4. und 5. November 1925 (Auszug),
in Jus & News 2/2007, 259.
19
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Das PGR basiert auf Vorarbeiten des damaligen Landtagspräsidenten Wilhelm Beck sowie von Emil
Beck. Beide zeichnete ein Naheverhältnis zur schweizerischen Rechtsordnung aus, die im PGR ihren
Niederschlag fand. Die Erarbeitung erstreckte sich über vier Jahre, in deren Verlauf neben dem eigent-
lichen Gesetzestext ein erláuternder Bericht und ein reger Schriftwechsel^? zwischen Liechtenstein und
Bern entstanden. Emil Beck amtete dort seit 1919 als diplomatischer Vertreter Liechtensteins.^
Bei der Beratung des PGR im Landtag am 4. und 5. November 1925 erweckte das Genossenschaftswe-
sen besonderes Interesse. „Zu diesem Abschnitt entwickelte sich denn auch eine längere Debatte im
Zusammenhang mit den Vorschriften über die Alpgenossenschaften. Diese Themenkonzentration kann
als Ausdruck für die Bewertung dieses Gesetzes durch die Mehrheit der Volksvertreter gewertet werden.
Den grossteils noch der Agrar- und Viehwirtschaft nahestehenden Abgeordneten lag die bäuerliche Ge-
nossenschaft mehr am Herzen als die übrigen juristischen Personen.
In diesem Zusammenhang ist es auch interessant festzustellen, dass im äusserst knapp gehaltenen erläu-
ternden Bericht der Gesetzesautoren Wilhelm und Emil Beck, dem sogenannten ‘Kurzen Bericht”, der
auf 58 Seiten das gesamte PGR abhandelt — immerhin1066 Gesetzesartikel und 157 Paragraphen an
Einführungs- und Übergangsbestimmungen — auffällig viel Platz den Erläuterungen zum Genossen-
schaftsrecht gewidmet ist. Diese beginnen auf Seite 29 und erstrecken sich bis auf Seite 32. Demgegen-
über wird das gesamte Stiftungsrecht auf einer knappen Seite abgehandelt.“
Im Protokoll zur Landtagssitzung vom November 1925, an welcher das PGR in 1. und 2. Lesung be-
handelt wurde, erläuterte der Vorsitzende des Landtags und gleichzeitig Mitautor des PGR, Wilhelm
Beck, gleich zu Beginn: “Für unsere Kreise wird von besonderem Interesse das Genossenschaftswesen
sein. Wir haben Bedacht darauf genommen, dass unsere bestehenden Verhältnisse berücksichtigt, und
dass die neuen Bestimmungen also möglichst reibungslos eingeführt werden.”
4 Berger, Rezeption, 61.
% Quaderer-Vogt, Emil Beck, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon des Fürs-
tentums Liechtenstein I (2013) 78 f.
99 Ouaderer-Vogt, Bewegte Zeiten 222 ff.
5! Beck/Beck, Kurzer Bericht zum Personen- und Gesellschaftsrecht, abgedruckt in Die Materialien zum PGR aus den Jahren
1925 bis 1928, Teil I: Der Kurze Bericht zum PGR, eingeleitet von Marxer, in Jus & News 3/2006, 295 ff.
?' Landtagsprotokoll, abgedruckt in Die Materialien zum PGR aus den Jahren 1925 bis 1928, Teil III: Landtagsprotokoll zum
4. und 5. November 1925 (Auszug) in Jus & News 2/2007, 259.
20
Genossenschaftswesen Liechtenstein
4.3 Rezeptionsvorlage
4.3.1 Allgemein
Die Regelung des Genossenschaftswesens in Art 428—495 PGR geht in ihrem Grundaufbau zu grossen
Teilen auf einen Entwurf von Eugen Huber aus dem Jahr 1919 zur Regelung im Schweizer Obligatio-
nenrecht (OR) zurück. Dieser hatte 1900 bereits einen ersten Entwurf für das vereinheitlichte Schweizer
ZGB vorgelegt.
Aus dem erláuternden Bericht zum Personen- und Gesellschaftsrecht geht zudem hervor, dass auch wei-
tere Rechtsordnungen zur Ausgestaltung des Genossenschaftswesens im PGR beigezogen wurden. So
erwühnen die Autoren Wilhelm und Emil Beck als zusátzliche Quellen ausdrücklich einen ósterreichi-
schen Genossenschaftsentwurf aus dem Jahr 19119? sowie die Regelungen über die Erwerbs- und Wirt-
schaftsgenossenschaften des deutschen Rechts.
Auf Grundlage des detaillierten Vergleichs der Regelungen im PGR mit denjenigen im OR-Entwurf aus
dem Jahr 1919 (sh. Anhang) lässt sich jedoch festhalten, dass Letzterem überragende Bedeutung zu-
kommt.
4.3.0 OR-Entwurf 1919
Bei Ausarbeitung des PGR galt in der Schweiz noch das Genossenschaftsrecht aus dem ersten Bundes-
gesetz über das Obligationenrecht (OR), in Kraft getreten 1883, in der Fassung von 1911.5 Nachdem
1898 eine umfassende Bundeskompetenz für die Zivilrechtsgesetzgebung in die Verfassung aufgenom-
men worden war, wurde nach dem Obligationenrecht auch die Erarbeitung eines Zivilgesetzbuchs (ZGB)
angegangen. Dadurch bedingt musste auch das bestehende Obligationenrecht angepasst werden und
wurde als fünfter Teil in das ZGB aufgenommen. In der Fassung des OR vom 30. März 1911, am 1.
Januar 1912 zusammen mit dem neuen ZGB in Kraft getreten, ist das Genossenschaftsrecht in Art 678—
715 OR geregelt.5°
Da ZGB und OR gemeinsam in Kraft treten sollten, gelang es im Vorfeld nicht, alle Bestimmungen des
bereits geltenden Obligationenrechts der erwünschten tiefgreifenden Revision zu unterziehen. So wur-
den die bestehenden Titel 24 bis 28 vorerst direkt in das neue OR übernommen und im Gesetzestext als
53 Beck/Beck, Kurzer Bericht 318.
* Beck/Beck, Kurze Bericht 317. Ein detaillierter Vergleich der Regelungen im PGR mit diesen Entwürfen konnte im Rahmen
der vorliegenden Arbeit nicht erfolgen.
55 Ausführlich zur Chronologie in der Schweiz, sh Forstmoser, Berner Kommentar ST 67 ff.
6 Sh dazu Móril, Die OR-Fassungen seit 1911/1912, Das Schweizer Obligationenrecht von 1911/1912 und die seitherigen
Änderungen (2015) 161 ff.
21
Genossenschaftswesen Liechtenstein
„Bundesgesetz über das Obligationenrecht vom 14. Juni 1881“ bezeichnet.” Erst 1919 legte der Autor
des ZGB, Eugen Huber, einen Entwurf zur Revision und Ergänzung dieser OR-Bestimmungen vor.
Dieser umfasste in Titel 27 auch das Genossenschaftswesen.
In der vorberatenden Fachkommission unter dem Vorsitz von Eugen Huber amtete Emil Beck, der Mit-
autor des PGR und frühere Universitätsassistent und Privatsekretär von Eugen Huber, als Sekretär.”
Entsprechend darf davon ausgegangen werden, dass Emil Beck mit der Regelung des Genossenschafts-
wesens im Entwurf aus dem Jahr 1919 bestens vertraut war.
Der Entwurf von Eugen Huber wurde „namentlich in genossenschaftlichen Kreisen [...] heftig kriti-
siert”.6 Erst ein Referat von August Egger®! beim Schweizerischen Juristenverein im Jahr 1922 brachte
die „entscheidende Wendung in der Entwicklung des schweizerischen Genossenschaftsrechts”.® Nach
dem Tod von Eugen Huber im Jahr 1923 wurde Alt-Bundesrat Hoffmann mit der Revision betraut.
Dieser legte einen überarbeiteten Entwurf vor, der auf dem Referat von August Egger aufbaute. Die
beratende Expertenkommission diskutierte diesen in den Jahren 1924 und 1925 und änderte ihn nur noch
in Einzelpunkten ab.® Dies mündete in die Botschaft des Schweizer Bundesrats vom 21. Februar 1928%,
die in den Jahren 1932-1936 von den beiden Parlamentskammern behandelt wurde“ und schliesslich
am 11. Juli 1937 in Kraft trat.5
4.3.3 Spezialfall Kleine Genossenschaften
Hinsichtlich der Art 483-495 PGR über die sogenannten kleinen Genossenschaften (z.B. Alpgenossen-
schaften) ist die Rezeptionsvorlage allerdings eine andere als für die restlichen Genossenschaftsbestim-
mungen im PGR. Der Entwurf von Eugen Huber aus dem Jahr 1919 schweigt sich zu dieser Materie
57 Móril, OR-Fassungen 128.
38 Reymond/Trigo Trindade, Genossenschaft 9.
*? Eugen Huber bedankt sich in den Vorbemerkungen zum erláuternden Bericht zu seinem Gesetzesvorschlag ausdrücklich
bei Emil Beck, sh Huber, Bericht über die Revision der Titel 24 bis 33 des schweizerischen Obligationenrechts (1920). Sh
auch BBI 1928 I 205 ff, 206, sowie Bosch, Stiftungsrecht 20 f.
9 Forstmoser, Berner Kommentar ST Rz 216.
5! Aus liechtensteinischer Sicht ist dabei von Interesse, dass der zweite Mitautor des PGR, Wilhelm Beck, 1911 bei August
Egger über das Fundrecht nach dem schweizerischen Zivilgesetzbuch promoviert hatte, sh Bósch, Stiftungsrecht 17.
62 Forstmoser, Berner Kommentar ST Rz 217.
63 Forstmoser, Berner Kommentar ST Rz 222.
** BBI 1928 I 205 ff, zur Genossenschaft ab 284.
556 Forstmoser, Berner Kommentar ST Rz 229.
$6 Mórtl, OR-Fassungen 211.
22
Genossenschaftswesen Liechtenstein
aus, da sie gemäss Art 59 Abs 3 ZGB dem kantonalen Recht unterstellt geblieben ist. Seit der Urfas-
sung“ dieser Bestimmung aus dem Jahr 1907 heisst es dort unverändert bis heute: “Allmendgenossen-
schaften und ähnliche Körperschaften verbleiben unter den Bestimmungen des kantonalen Rechtes."
Es ist davon auszugehen, dass die Bestimmungen über die Kleinen Genossenschaften im PGR von be-
stehenden kantonalen Regelungen beeinflusst wurden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte die-
ser Vermutung jedoch nicht detailliert nachgegangen werden.
4.4 Vergleich der aktuellen Regelung im PGR mit den Entwürfen zum PGR sowie zum
OR
Ein nicht genauer datierter Entwurf zum Liechtensteiner Genossenschaftsrecht, der sich im derzeit noch
nicht öffentlich zugänglichen Teil des Nachlasses von Wilhelm Beck befindet®, zeigt eindeutig die Be-
deutung des Entwurfs von Eugen Huber (sh. Kopie dieses PGR-Entwurfs aus dem Nachlass von Wil-
helm Beck im Anhang). Mit einer Ausnahme? wurden sámtliche Bestimmungen aus dem Entwurf 1919
ausgeschnitten und auf Papierbógen geklebt. Auf Grundlage dieser Vorgabe hat der Autor des PGR-
Entwurfs, aller Voraussicht nach Wilhelm Beck selbst, von Hand ergünzt, gestrichen, umformuliert und
andere Textpassagen in Hand- und Maschinenschrift hinzugefügt. Er übernahm dabei die Nummerie-
rung aus dem Entwurf 1919 und beginnt folglich das Genossenschaftskapitel in seinem PGR-Entwurf
ebenfalls mit einer als , Art 794^ bezeichneten Bestimmung."
Eine Gegenüberstellung der aktuellen Regelung des Genossenschaftswesens im PGR mit dem oben er-
wühnten Entwurf zum PGR sowie dem Entwurf zum OR von Eugen Huber aus dem Jahr 1919 ergibt
eindeutig, dass Struktur, Randtitel und ein Grossteil des materiellen Rechts des PGR Wort für Wort aus
dem Entwurf zum OR von 1919 übernommen worden sind. Ein detaillierter Vergleich der Bestimmun-
gen — Absatz für Absatz — findet sich im Anhang.
67 BB1 1907 VI 589 ff.
5$ Für eine detaillierte Darstellung, sh Arnold, Die privatrechtlichen Allmendgenossenschaften und ühnlichen Kórperschaften,
(Art. 59 Abs. 3 ZGB) nach dem Recht des Bundes und des Kantons Wallis (1987), sowie Forstmoser, Berner Kommentar
ST Rz 623 ff.
9 Das Material befindet sich derzeit im Privatarchiv von Rupert Quaderer-Vogt. Der Autor dankt für die Einsichtnahme in den
Nachlass und die Genehmigung zur Veróffentlichung des Entwurfs der Genossenschaftsbestimmungen im Anhang dieser
Arbeit.
7? Es handelt sich um Art 841 OR über die Verteilung des Vermógens der liquidierten Genossenschaft.
^! Der Entwurf von Eugen Huber aus dem Jahre 1919 schlágt eine Regelung des Genossenschaftswesens im OR in Art 794—
841 vor.
23
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Daraus ergibt sich, dass in Auslegungsfragen zum liechtensteinischen Genossenschaftsrecht in vielen
Punkten die Materialien zum OR-Entwurf von 1919 zur Auslegung beigezogen werden können, insbe-
sondere der von Eugen Huber selbst erarbeitete erläuternde Bericht, der als Beilage zum Entwurf 1919
konzipiert worden ist.”
Weiter erschliesst sich aus dem detaillierten Vergleich der aktuellen Regelung im PGR mit den Entwür-
fen zum PGR sowie zum OR, dass viele der im PGR-Entwurf angebrachten Überarbeitungen des OR-
Entwurfs 1919 ins PGR übernommen wurden und bis heute geltendes Recht sind. Zur Illustration sollen
folgende Beispiele dienen:
- Art 436 Abs 1 PGR enthált im Unterschied zu Art 802 des OR-Entwurfs bis heute das Erfor-
dernis, dass die Beitrittserklárung eines Neumitglieds nicht nur schriftlich sondern auch ,,unbe-
dingt" abzugeben ist. Diese Ergänzung wurde im PGR-Entwurf handschriftlich angebracht.
- Att 443 Abs 2 PGR enthält im Unterschied zu Art 807 Abs 2 des OR-Entwurfs die Ergánzung,
dass ein Ausschluss von Genossenschaftsmitgliedern durch die Generalversammlung „auf
Klage der Ausgeschlossenen gegen die Genossenschaft der richterlichen Nachprüfung unter-
liegt." Diese Ergünzung findet sich im PGR-Entwurf als maschinenschriftliche Ergänzung auf
separatem Zettel.
- Auch in Art 445 PGR wurde ein auf separatem Zettel maschinenschriftlich entworfener Abs 3
dazu geklebt, der in Art 808 des OR-Entwurfs vóllig fehlt.
- In Art 461 Abs 1 PGR findet sich am Schluss die Klammerbemerkung ,Solidargenossenschaft'.
Diese geht auf eine handschriftliche Ergánzung zum Art 821 Abs 1 des OR-Entwurfs zurück,
der ansonsten wortgleich übernommen wurde.
- Gemüss Art 824 Abs 2 des OR-Entwurf bedarf es zur ,,Neubegründung oder Vermehrung der
Haftung oder der Nachschusspflicht [...] Zustimmung sámtlicher Genossenschafter. Im PGR-
Entwurf wurde dieses Erfordernis von Hand auf ,,Dreiviertel sámtlicher Genossenschafter^ re-
duziert, was bis heute geltendes Recht in Art 464 Abs 2 PGR ist.
Ebenfalls interessant festzustellen ist, dass das PGR an mehreren Stellen vom OR-Entwurf 1919 in áhn-
licher Weise abweicht wie das OR in der heute gültigen Fassung. Daraus ergibt sich entweder ein PGR-
Einfluss auf die Entwicklungen des OR nach dem Entwurf aus dem Jahr 1919, oder die Diskussionen in
der Schweiz nach 1919 konnten von den Autoren des PGR noch berücksichtigt werden. Als Beispiele
sollen folgende Bestimmungen genannt werden, weitere ergeben sich aus der Gegenüberstellung im
Anhang:
72 Huber, Bericht.
24
Genossenschaftswesen Liechtenstein
- Art 449 Abs 1 PGR?, wonach die Mitgliedschaft an einer Genossenschaft „nach den Statuten
das Eigentum eines Grundstückes oder einen wirtschaftlichen Betrieb zur Voraussetzung ha-
ben" kann, entspricht wortgleich der Bestimmung im PGR-Entwurf sowie in Art 850 Abs 1 OR.
Im OR-Entwurf 1919 war dies noch leicht anders formuliert.
- Art457 Abs 1 PGR hält seit Erlass des PGR unverändert fest: „Die Statuten regeln die Beitrags-
und Leistungspflicht. Diese Formulierung entspricht Wort für Wort Art 867 Abs 1 OR, tauchte
jedoch in den Entwürfen zum PGR sowie zum OR überhaupt nicht auf.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnten Wechselwirkungen zwischen den Revisionsarbeiten in der
Schweiz nach dem Entwurf Huber von 1919 und dem PGR nicht weiter verfolgt werden. Einerseits liegt
aufgrund der Chronologie der Ereignisse auf der Hand, dass nicht nur der Entwurf Huber, sondern auch
die weiteren Diskussionen und Entwürfe in der Schweiz Eingang in die Ausarbeitung des PGR gefunden
haben kónnten.^ Andererseits wáre es nicht überraschend, wenn auch in der Schweiz das PGR in den
Beratungen zwischen 1926 und 1936 Beachtung gefunden hátte. So hatte die liechtensteinische Regie-
rung nach Erlass des PGR mehrere Exemplare an Exponenten der Eidgenossenschaft sowie an Schwei-
zer Universitäten verschickt.” Zudem war PGR-Mitautor Emil Beck als schweizerisch-liechtensteini-
scher Doppelbürger?* auch in der Schweiz kein Unbekannter, nachdem er als Sekretür der Expertenkom-
mission zum Entwurf 1919 fungiert hatte und in dieser Funktion in der Botschaft des Bundesrats na-
mentlich erwühnt wurde." Seine Verbindungen zu Liechtenstein, so insbesondere auch seit 1919 seine
Funktion als diplomatischer Vertreter Liechtensteins in Bern, dürften auch im Schweizer Umfeld nicht
verborgen geblieben sein.
Trotzdem ist festzustellen, dass sich in der Botschaft des Bundesrats vom 21. Februar 1928 an die Bun-
desversammlung zur Revision der Titel 24 bis 33 des schweizerischen Obligationenrechts ^, die damit
auch eine Neuregelung des Genossenschaftsrechts umfasste, kein einziger Hinweis auf das neue liech-
tensteinische Gesellschaftsrecht im PGR aus dem Jahr 1926 befindet. Hingegen wird auf die rechtlichen
Entwicklungen in den anderen Nachbarstaaten — wie auch darüber hinaus (Niederlande, Rumänien, Bul-
garien, England etc.) - unzühlige Male verwiesen. ^?
Scheinbar war die Regelung im PGR trotz der oben erwähnten Publizitátsfaktoren entweder nicht wahr-
genommen worden, oder sie wurde für die Schweizer Verhältnisse als irrelevant eingeschätzt. Wenn
7 Seit Erlass des PGR bis heute unverändert.
74 Sh dazu auch Bösch, Stiftungsrecht 21 FN 33.
75 Quaderer-Vogt, Bewegte Zeiten 225.
76 Quaderer-Vogt, Emil Beck 78.
7! BBI 1928 I 205 ff, 206.
7$ BB] 1928 I 205 ff, zur Genossenschaft ab 284.
7) BBI1 1928 I 205 ff, 275.
25
Genossenschaftswesen Liechtenstein
dies in den 1920er- und 1930er-Jahren vielleicht noch verstanden werden kann, so ist es doch erstaunlich,
dass auch im Berner Kommentar zum Genossenschaftsrecht kein Verweis zur PGR-Regelung enthalten
ist. In zwei Bünden und über 800 Seiten lásst sich der Kommentar zum Schweizer Genossenschaftsrecht
aus und widmet dabei auch einen grósseren Teil einem rechtsvergleichenden Überblick. Trotzdem
taucht Liechtenstein unter den 13 untersuchten Jurisdiktionen nicht auf.5?
4.5 Vergleich der aktuellen Regelungen im PGR und im OR
Ein detaillierter Vergleich der Regelung im PGR und im Schweizer Obligationenrecht (OR) in der Fas-
sung vom 1. Januar 2016 (sh. Anhang) lásst erkennen, dass sich Struktur und Grundaufbau auch heute
noch ähnlich sind. Die gemeinsame Grundlage im Entwurf von Eugen Huber aus dem Jahr 1919 ist
weiterhin erkennbar, gleichzeitig bestehen aber auch einige Unterschiede, welche sich aus den getrenn-
ten Gesetzgebungsprozessen in den beiden Lándern seit 1919 erkláüren und die teilweise auf Spezifika
der Schweiz oder Liechtensteins zurückgehen, teilweise bewusste Abweichungen darstellen.
Als prominentester Spezialfall im PGR ist die Regelung zu den kleinen Genossenschaften in Art 483—
495 PGR anzusehen. Aufgrund eines Vorbehalts in Art 59 Abs 3 ZGB ist diese Materie nicht im OR
enthalten, da sie in der Schweiz dem kantonalen Recht vorbehalten blieb.
Als Spezifikum der Regelung im OR kann auf Art 841 OR verwiesen werden, der die Móglichkeit vor-
sieht, die Zugehórigkeit zu einer Genossenschaft mit einem Versicherungsvertrag zu verknüpfen. Eine
entsprechende Bestimmung war im OR-Entwurf 1919 und auch im darauf aufbauenden PGR-Entwurf
nicht enthalten. In der Schweiz taucht sie erstmals im Entwurf des Bundesrates aus dem Jahr 19288! auf,
nach Erlass des PGR. In Liechtenstein ist die Versicherungsgenossenschaft bis heute nicht ausdrücklich
im PGR geregelt, wobei jedoch die Rechtsprechung feststellt, dass auch in Liechtenstein Versicherungs-
genossenschaften zulässig sind.? Entsprechend sieht auch das Versicherungsaufsichtsgesetz in Art 14
Abs 1 als eine der móglichen Organisationsformen für ein Versicherungsunternehmen die Form der
Genossenschaft vor.9?
Als Illustration einer bewussten Abweichung auf Liechtensteiner Seite sei auf den erst 2007 abgeédnder-
ten Art 472a Abs 1 PGR verwiesen, der in Abweichung von der ansonsten identen Regelung in Art 882
80 Forstmoser, Berner Kommentar ST Rz 640 ff.
3! BBI 1928 I 205 ff, zur Genossenschaft ab 284; Detailliert dazu Forstmoser, Berner Kommentar Art 841.
82 OGH 9. Januar 2003, 1 Cg 2000.21-74, LES 2003, 274 ff.
85 Gesetz vom 12. Juni 2015 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz; VersAG),
LGBI 2015/231, LR 961.01.
26
Genossenschaftswesen Liechtenstein
OR vorsieht, dass die Generalversammlung mindestens zehn Tage vor dem Versammlungstag einzube-
rufen ist. Die liechtensteinische Regierung hat im erläuternden Bericht und Antrag dazu ausgeführt:
“Art. 472a PGR entspricht Art. 882 OR und weist die Festlegung der Art und Weise, wie die General-
versammlung einzuberufen ist, den Statuten zu. Im Gegensatz zur Rezeptionsgrundlage wird normiert,
dass die Einberufung der Generalversammlung anstatt fünf mindestens zehn Tage vor dem Versamm-
lungstag zu geschehen hat. Fünf Tage erscheinen hier zu kurzfristig." 5
Weiter kann an mehreren Stellen festgestellt werden, dass die Regelung des PGR über die traditionell
kurz und präzis gefassten OR-Bestimmungen hinausgeht. So regelt zum Beispiel Art 847 Abs 1 OR, der
wortgleich Art 808 Abs 1 des Entwurfs aus dem Jahr 1919 entspricht: ,,Die Mitgliedschaft erlischt mit
dem Tode des Genossenschafters." Während diese Bestimmung im PGR-Entwurf von Wilhelm Beck
noch unverándert übernommen wurde, so lautet der inhaltlich entsprechende Art 445 Abs 1 PGR seit
1926 um einiges ausführlicher und kasuistischer: ,,Bestimmen die Statuten es nicht anders, so erlischt
die Mitgliedschaft mit dem Tode des Genossenschafters und, wenn dieser eine Firma oder Verbands-
person ist, mit deren Auflósung, sofern Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft nicht mit dem Rechte am
Anteilsscheine verbunden sind.*
Abschliessend kann festgehalten werden, dass die Regelung des Genossenschaftswesens im PGR sowie
im OR Geschwister sind, die sich ausgehend von der gemeinsamen Grundlage des Entwurfs von Eugen
Huber aus dem Jahr 1919 unterschiedlich weiterentwickelt haben. Ihre Verwandtschaft ist jedoch bis
heute erkennbar und erlaubt somit zur Interpretation der PGR-Bestimmungen immer wieder den Rück-
griff auf die Materialien zum Entwurf 1919 sowie auf die Literatur und Judikatur zum OR.
Angesichts dieser Tatsache sowie der Vielzahl an weiteren Einflussquellen erscheint es etwas allzu ver-
einfachend, wenn die liechtensteinische Regierung im Jahr 2006 in einem Bericht und Antrag zur Revi-
sion des Genossenschaftsrechts ausführt: "Dabei sollen die Bestimmungen des Genossenschaftsrechts
gestrafft und, wo erforderlich, in Übereinstimmung mit der Rezeptionsgrundlage, nämlich dem Schwei-
zerischen ZGB, gebracht werden. Dabei sollen jedoch die dem liechtensteinischen Genossenschaftsrecht
eigenen Besonderheiten, insbesondere die Móglichkeit der Schaffung von kleinen, nicht im Offentlich-
keitsregister eintragungspflichtigen Genossenschaften, beibehalten werden." 5 Diese Darstellung sugge-
riert ein direktes Abstammungsverháltnis von PGR und OR (als Teil des ZGB), das als Rezeptionsvor-
lage bezeichnet wird. Dies trifft allerdings nur für die Revision des Jahres 2006 zu. Die Urfassung des
PGR geht auf einen Entwurf des OR zurück, der in dieser Form gar nie in Kraft getreten ist, sondern
erst nach weiterer Überarbeitung mehr als 15 Jahre später.
8 BuA Nr. 95/2006, 45.
55 BuA Nr. 95/2006, 20.
27
Genossenschaftswesen Liechtenstein
4.6 Regelung in Liechtenstein vor Erlass des PGR
Vor Erlass des PGR war das Genossenschaftswesen rechtlich nur rudimentár geregelt. $$ 126-131 des
Übergangsrechts zum Sachenrecht aus dem Jahr 1922 stellten erste Normen hinsichtlich der kleinen
Genossenschaften ohne Eintragungspflicht auf*$, welche dann aus systematischen Gründen ins PGR
aufgenommen wurden.*' In diesem Zusammenhang erláutern die PGR-Autoren Wilhelm und Emil Beck
im Kurzen Bericht, dass sie vor dem Hintergrund der Klagen aus landwirtschaftlichen Kreisen in
Deutschland und der Schweiz bewusst auf eine Eintragungspflicht der kleinen Genossenschaften ver-
zichten möchten. “Der vorliegende Entwurf will demgegenüber Genossenschaften ohne Eintragungs-
pflicht ähnlich wie bei Vereinen bestehen lassen und kommt mithin der Landwirtschaft entgegen.”8
Die modernen Genossenschaften, wie sie im 19. Jahrhundert in den umgrenzenden Ländern aufgekom-
men waren, wurden in Liechtenstein erst mit dem PGR gesetzlich geregelt. Die Schópfer des PGR hiel-
ten dazu fest: , Abgesehen von der Regelung der Allmendgenossenschaften und dergleichen im Über-
gangsrecht zum Sachenrecht, ist die Genossenschaft, wie sie als Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen-
schaft in andern Rechtsgebieten bekannt 1st, hierlands noch nicht geregelt.
86 | GB] 1923/4.
37 Beck/Beck, Kurzer Bericht 317.
38 Beck/Beck, Kurzer Bericht 317.
8 Beck/Beck, Kurzer Bericht 317.
28
Genossenschaftswesen Liechtenstein
5 Typologie der Genossenschaften nach PGR
Das PGR unterscheidet zwei Grundtypen von Genossenschaftsformen: die eintragungspflichtigen und
die nicht eintragungspflichten Genossenschaften. Bis zur Abünderung vor einigen Jahren?! von Art 428,
der ersten Bestimmung des Abschnitts zum Genossenschaftsrecht im PGR, war diese Unterscheidung
auch im Gesetzestext eindeutig ablesbar. Der Erste Abschnitt der Urfassung endete mit der Klammer-
bemerkung „eingetragene Genossenschaften“, der zweite Abschnitt mit der auch heute noch vorhande-
nen Klammerbemerkung „nicht eingetragene Genossenschaften“. Es ist bedauerlich, dass die erste
Klammer im Rahmen der Anpassung an die Legaldefinition im Schweizer OR ohne notwendigen Grund
gestrichen wurde.
5.1 Eingetragene Genossenschaften
5.1.1 Überblick über die rechtlichen Grundlagen
5.1.1.1 Systematik der gesetzlichen Regelung im PGR
Die eingetragenen Genossenschaften sind im PGR in Art 428—482 geregelt. Diese unterteilen sich im
Gesetz in sechs Kapitel (A—F), welche wiederum wie folgt organisiert sind:
- A. Im Allgemeinen (Art 428)
- B. Entstehung (Art 429—435)
I. Im Allgemeinen
II. Inhalt der Statuten
III. Konstituierende Generalversammlung
IV. Eintragung ins Handelsregister
V. Sacheinlagen und weitere Leistungen von Genossenschaftern
VI. Schutz wohlerworbener Rechte
- C. Mitgliedschaft (Art 436—470)
I. Erwerb
II. Verlust
III. Rechte und Pflichten der Genossenschafter
- D. Organisation (Art 471—478)
I. Generalversammlung
II. Verwaltung
III. Revisionsstelle
- E. Verwendung des Vermógens einer liquidierten Genossenschaft (Art 479—481)
0 1.GBI 2007/38 und BuA Nr 95/2006.
29
Genossenschaftswesen Liechtenstein
I. Im Allgemeinen
II. Erleichterung und Erschwerung der Statutenänderung
III. Verwaltung des Zweckvermógens
- F. Umwandlung und Fusion (Art 482)
5.1.1.2 Legaldefinition (Art 428 PGR)
Gemüss Legaldefinition in Art 428 Abs 1 PGR ist eine Genossenschaft ,,eine als Kórperschaft organi-
sierte Verbindung einer nicht geschlossenen Zahl von Personen oder Handelsgesellschaften, deren
Hauptzweck in der Fórderung oder Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in
gemeinsamer Selbsthilfe besteht.“
Diese Bestimmung entspricht beinahe wortgleich derjenigen von Art 828 Abs 1 OR. Im Rahmen der
PGR-Revision 2006/2007 wurde die bis dahin unveränderte Legaldefinition in der Urfassung des PGR°!
an diejenige im OR angeglichen.”
Die Definition enthält vier Bestandteile®, nämlich:
- Genossenschaft als Körperschaft;
- Genossenschaft als Verbindung einer nicht geschlossenen Zahl von Personen oder Handelsge-
sellschaften (Prinzip der offenen Tür);
- Genossenschaftszweck: Förderung oder Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen der
Mitglieder;
- gemeinsame Selbsthilfe als Mittel zur Zweckverfolgung.
Gleich zu Beginn der Legaldefinition wird festgehalten, dass es sich bei einer Genossenschaft um eine
körperschaftlich organisierte Verbindung von Personen* handelt, welcher gemäss Art 106 Abs 1 PGR
mit Eintragung ins Handelsregister die Juristische Persönlichkeit zukommt. Somit ist sie ein von ihren
Mitgliedern selbständiges Rechtssubjekt.
?! Bis zur Revision im Jahr 2006/2007 lautete Art 428 Abs 1 PGR wie folgt: „Als Genossenschaften im Sinne dieses Abschnit-
tes können sich zu einer Kórperschaft verbundene Einzelpersonen, Firmen oder privat- oder óffentlich-rechtliche Verbands-
personen in das Oeffentlichkeitsregister als Genossenschaftsregister eintragen lassen, wenn sie wirtschaftliche oder nicht-
wirtschaftliche Zwecke verfolgen (eingetragene Genossenschaften).*
2 LGBI1 2007/38; BuA Nr 95/2006, 42.
?3 Ausführlich dazu: Forstmoser, Berner Kommentar Art 828, sowie Baudenbacher, Basler Kommentar OR II Art. 828.
?! Dies in Abgrenzung zu den verselbstündigten Zweckvermógen wie Stiftungen, die einem im Voraus formulierten Willen
folgen.
30
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Als Verbindung einer nicht geschlossenen Zahl von Personen oder Handelsgesellschaften** schliesst die
Legaldefinition die Festsetzung einer konstanten Anzahl Genossenschafter aus. Dieses sogenannte
‚Prinzip der offenen Tür‘ soll dafür sorgen, dass Bei- und Austritte zu und aus Genossenschaften grund-
sätzlich jederzeit möglich sind. Verhältnismässige Einschränkungen dieses Grundsatzes lässt das Gesetz
ausdrücklich zu, so z.B. die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufen, sofern dies von den Statuten vorge-
sehen ist.?6
Als Konsequenz des Prinzips der offenen Tür hált Art 428 Abs 4 PGR ausdrücklich fest, dass eine
Festsetzung des Grundkapitals im Voraus unzulässig ist. Dieses Verbot entspricht inhaltlich Art 828
Abs 2 OR und wurde anlässlich der Revision 2006/2007 ins PGR eingeführt.” Zur Vereinbarkeit dieser
Bestimmung mit Art 438 Abs 2 PGR schweigen sich die Materialien leider aus?*, sieht dieser doch die
Móglichkeit vor, ein Hóchstgenossenschaftskapital vorzusehen. Der Konflikt kann einerseits dadurch
gelöst werden, dass nach dem allgemeinen Kollisionsgrundsatz lex posterior derogat legi anteriori das
spätere Gesetz dem früheren vorgeht und Art 438 Abs 2 PGR folglich nicht mehr angewendet wird.
Eine vermittelnde Lösung besteht darin, dass zumindest diejenigen Festlegungen eines Höchstgenos-
senschaftskapitals auch weiterhin zugelassen werden, bei denen fortwährend die Möglichkeit besteht,
„ohne übermässige Erschwerung Anteilscheine von der Gesellschaft oder von bisherigen Inhabern zu
erwerben" ??
Der Hauptzweck einer Genossenschaft muss gemiss Art 428 Abs 1 PGR in der ,,Fórderung oder Siche-
rung bestimmter wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder liegen. Es geht folglich um die Erlangung
materieller Vorteile. Neben dem wirtschaftlichen Zweck als Hauptzweck kónnen als Nebenzwecke auch
nicht-wirtschaftliche verfolgt werden.'9
Im Unterschied zu Handelsgesellschaften verlangt die Legaldefinition mit der Erwähnung „bestimmter
wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder“, dass die Mitglieder direkte materielle Vorteile aus der Ge-
nossenschaftstätigkeit erlangen. Es geht nicht nur um das Erlangen materieller Vorteile in Form von
Dividendenzahlungen, sondern um direkte Vorteile, wie z.B. günstige durch die Genossenschaft er-
brachte Leistungen.
% Gemäss BuA Nr 95/2006, 42 ist die Definition von ,Handelsgesellschaften' gemáss $ 33 SchlIT/PGR anwendbar, welche
„Gesellschaften mit Persönlichkeit und ihnen gleichgestellte Verbandspersonen und Gesellschaften ohne Persönlichkeit mit
Firmen“ umfasst.
% Art 438 Abs 2 PGR.
” 1GBI1 2007/38; BuA Nr 95/2006, 42.
% In BuA Nr 95/2006, 42, findet sich als einzige Erläuterung zum neuen Art 428 Abs 4 PGR: „Diese Bestimmung entspricht
Art. 828 Abs. 2 OR.“
® Forstmoser, Berner Kommentar Art 828 Rz 124, unter Hinweis auf regelmässigen Handel von Anteilscheinen von Bankge-
nossenschaften, sofern durch regelmássige Kapitalerhóhungen dafür gesorgt wird, dass das Prinzip der offenen Tür gewahrt
wird.
10 Bandenbacher, Basler Kommentar Art 828 Rz 15.
31
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Das Mittel zur Zweckverfolgung liegt nach gesetzlichem Idealbild in der gemeinsamen Selbsthilfe.
Diese Wendung ist Ausdruck des dem Genossenschaftswesen grundlegenden Solidargedankens. Folg-
lich sind alle Mitglieder zu persönlicher Beitragsleistung angehalten.
Schon aus diesen kurzen Ausführungen zur Legaldefinition zeigt sich, dass sie stark von einem genos-
senschaftlichen Idealbild geprágt ist. In der Praxis hat sich ein vielfáltigeres Bild der Genossenschaften
entwickelt, welches sich teilweise von der Idealform entfernt und zu einer „Diskrepanz zwischen der
objektiv-entstehungszeitlichen Bedeutung des Genossenschaftszwecks und der heutigen wirtschaftli-
chen Realitát ^?! geführt hat. So ist beispielsweise bei grossen Konsumgenossenschaften, welche Mit-
glieder und Nichtmitglieder unterschiedslos als Kunden bedienen und die Mitglieder keine Beitragsleis-
tungen zu erbringen haben, das Element der gemeinsamen Selbsthilfe mittlerweile ihres Inhalts
grossteils entleert. FORSTMOSER spricht in diesem Zusammenhang von einer ,,Entwicklung zu einer
faktisch beitragslosen Mitgliedschaft"?
Dies ist einer der Punkte, welcher in der Schweiz zu einer Diskussion über die Notwendigkeit einer
Modernisierung des Genossenschaftsrechts geführt hat.'? In diesem Zusammenhang kann man sich
auch fragen, ob die Übernahme der Legaldefinition des OR in die PGR-Regelung des Genossenschafts-
rechts vor wenigen Jahren sorgfältig vorbereitet war. Angesichts der Kürze der Ausführungen in den
Materialien der Regierung!^, der oben erwähnten schwierigen Vereinbarkeit von Art 428 Abs 4 PGR
und 438 Abs 2 PGR sowie der Darstellung des schweizerischen ZGB als Rezeptionsgrundlage des
Liechtensteiner Genossenschaftsrechts'° darf daran gezweifelt werden.
5.1.1.3 Entstehung (Art 429—435 PGR)
Zur Gründung einer Genossenschaft als juristischer Person bedarf es gemäss Art 429 PGR schriftlicher
Statuten, der Bestellung der Organe, allenfalls durch eine konstituierende Generalversammlung, sowie
der Eintragung im Handelsregister.
10! Forstmoser/Taisch/Troxler/D 'Incà-Keller, Der Genossenschaftszweck — gestern und heute, in REPRAX, Zeitschrift zur
Rechtsetzung und Praxis in Gesellschafts- und Handelsregisterrecht, 2/12, 1 (4).
102 Forstmoser, Berner Kommentar Art 828 Rz 106.
105 Sh. Forstmoser/Taisch/Troxler, Unzulüssigkeit von Beteiligungsscheinen bei Genossenschaften, Bundesgericht kippt Ent-
scheid des Bundesverwaltungsgerichts, in Jusletter (2014) 1 (10).
104 BuA Nr 95/2006 und Nr 143/2006.
105 BuA Nr 95/2006, 20.
32
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Eine Mindestanzahl an Mitgliedern ist im PGR nicht explizit vorgesehen.!® Die Legaldefinition der Ge-
nossenschaft in Art 428 Abs 1 PGR geht jedoch implizit von mindestens zwei Griindungspersonen aus,
spricht sie doch von „Personen“ in Mehrzahl und erwähnt als Mittel zur Zweckverfolgung ausdrücklich
die gemeinsame Selbsthilfe, was logischerweise eine Mehrzahl von Personen voraussetzt.!” Zwei Mit-
glieder genügen dem liechtensteinischen Handelsregister jedenfalls zur Eintragung, wie das Beispiel der
Genossenschaft Archiv-Atelier Spinieu zeigt, die als gemeinsame Betriebsgenossenschaft zweier Stif-
tungen im Kulturbereich gegründet wurde.!05
Art 430 PGR definiert den zwingend vorgeschriebenen Mindestinhalt der Genossenschaftsstatuten
(Name, Zweck etc.) und Art 430a PGR listet diejenigen Bestimmungen auf, die nur bedingt notwendig
sind. Dabei geht es um explizit aufgeführte Abweichungen vom dispositiven Gesetzesrecht, die nur dann
Wirksamkeit entfalten kónnen, wenn sie in den Statuten verankert sind. Dabei geht es beispielsweise
um die Schaffung eines Genossenschaftskapitals durch Anteilscheine oder Bestimmungen über die per-
sónliche Haftung und die Nachschusspflicht der Genossenschafter. Beide Bestimmungen wurden im
Rahmen der PGR-Revision 2006/2007 an die entsprechenden Vorschriften im OR angeglichen.
Weiter wird in den folgenden Bestimmungen dieses Kapitels die konstituierende Generalversammlung
geregelt, die Modalitäten und der Umfang der Eintragung ins Handelsregister sowie der Umgang mit
allfälligen Sacheinlagen. Diese Bestimmungen des PGR finden zu einem grossen Teil keine Entspre-
chung im aktuellen OR, da sie entweder von denjenigen im OR-Entwurf 1919 inspiriert sind, die keinen
Eingang ins aktuelle OR gefunden haben, oder es sich um Ergänzungen von Wilhelm Beck in seinem
PGR-Entwurf handelt (sh. Anhang).
5.1.1.4 Mitgliedschaft (Art 436-470 PGR)
Der Beitritt zu einer Genossenschaft erfolgt gemáss Art 436 und 437 PGR in der Regel über eine schrift-
liche Beitrittserklárung nach entsprechender Zustimmung durch die Generalversammlung (GV). Dabei
handelt es sich um dispositives Gesetzesrecht, von dem mittels Statuten abgewichen werden kann.
106 Anders Art 831 Abs 1 OR, wonach bei der Gründung einer Schweizer Genossenschaft mindestens sieben Mitglieder betei-
ligt sein müssen. Gemáss BGE 138 III 407 handelt es sich dabei um ein ,,begriffsbestimmendes Element der Genossenschaft",
weswegen die Unterschreitung der Mindestzahl von sieben Genossenschaftern die Auflósung der Genossenschaft zur Folge
haben müsse. Kritisch dazu: Taisch/Troxler, Mindestmitgliederzahl bei Genossenschaften, AJP 11/2012, 11, sowie Forst-
moser/Taisch/Troxler, Verpasste Chancen und unabsehbare Folgen für Genossenschaften, Ein fragwürdiges Urteil zur Min-
destmitgliederzahl, in Neue Zürcher Zeitung vom 23. Oktober 2012, 33.
107 73 gleichem Schluss kommt Marxer, Lánderbericht Liechtenstein, in: Study on the implementation of the Regulation
1435/2003 on the Statute for European Cooperative Society (SCE) http://ec.europa.eu/growth/sectors/social-eco-
nomy/cooperatives/european-cooperative-society/index en.htm (725, abgefragt am 20.2.2016), sowie Frick /Thiede, Unter-
nehmensführung im Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieb im Fürstentum Liechtenstein (2015) 31.
108 http://archiv-atelier.li (abgefragt am 25. März 2016).
33
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Entsprechend dem Prinzip der offenen Tür können gemäss Art 438 Abs 1 PGR „in eine bestehende
Genossenschaft jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden.“ Abs 2 sieht jedoch die Möglichkeit
vor, in den Statuten Beschränkungen vorzusehen und gestattet einer Genossenschaft in jedem Falle „eine
Aufnahme nach freiem Ermessen“ zu verweigern. Daraus ergibt sich, dass trotz des Grundsatzes der
nicht geschlossenen Mitgliederzahl keine gesetzliche Aufnahmepflicht besteht.
Parallel zur Eintrittsregelung ist auch der Austritt aus einer Genossenschaft gemäss Art 439 Abs 1 PGR
in der Regel jederzeit möglich. Art 442 PGR fordert dazu eine schriftliche Kündigung mit einer Kündi-
gungsfrist von drei Monaten sowie Kündigungszeitpunkt per Ende der Geschäftsperiode. Auch dabei
handelt es sich um dispositives Gesetzesrecht, von dem mittels Statuten abgewichen werden kann. So
sieht das PGR ausdrücklich die Möglichkeit von Einschränkungen vom freien Austritt vor. So kann
gemäss Art 440 Abs 1 PGR der Austritt bei Genossenschaften mit dauernden Anlagen und Verträgen,
denen durch den Austritt ein entsprechender Nachteil erwächst, an die Bezahlung einer Auslösungs-
summe geknüpft werden. Art 441 Abs 1 PGR lässt auch einen Verzicht auf einen Austritt zu, befristet
diesen jedoch auf eine maximale Gültigkeit von zehn Jahren.
Wie oben ausgeführt findet der Wechsel der Mitgliedschaft bei Genossenschaften grundsätzlich durch
Ein- und Austritt statt. Gemäss Art 446 PGR gilt dieser Grundsatz auch, falls Anteile an einer Genos-
senschaft übertragen werden. Ein solcher vertraglicher Übertrag macht den Erwerber nicht automatisch
zum Genossenschafter, nur das Forderungsrecht am Genossenschaftskapital geht über. Die Statuten kön-
nen jedoch eine Verknüpfung der Mitgliedschaft mit dem Anteil festlegen.
Art 447 Abs 1 PGR sieht zudem die Móglichkeit vor, die Mitgliedschaft an einer Genossenschaft mit
einer Urkunde zu verknüpfen, einem sogenannten Anteilschein. Für den Übertrag solcher Anteilscheine
wird in Art 447 Abs 2 PGR auf die aktienrechtlichen Bestimmungen verwiesen.
Hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Genossenschafter geht Art 451] PGR vom Grundsatz der
Gleichbehandlung aller Genossenschafter aus, was Ausdruck der Personenbezogenheit des Genossen-
schaftswesens ist. Allerdings kann von dieser Grundregel durch gesetzlich oder statutarisch!'? vorgese-
hene Regelungen abgewichen werden. Dabei ist z.B. an die Fälle zu denken, in denen das Gesetz die
Abstufung der Mitgliedschaftsrechte anhand der Kapitalbeteiligung vornimmt. Dies ist gemäss Art 452
Abs 3 bei der Verteilung des Reingewinns der Fall.
109 Sh Art 261 ff PGR, insbesondere Art 318 ff PGR über Nebenleistungsaktien sowie Art 327 ff PGR über Namenaktien.
1? Die entsprechende Bestimmung in Art 854 OR ist restriktiver und lásst Ausnahmen nur auf gesetzlicher Grundlage zu.
34
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Mangels anderer statutarischer Regelung fällt der Reingewinn nach Art 452 Abs 1 in das Genossen-
schaftsvermögen. Aus der Typologie der Genossenschaft ergibt sich, dass diese eigentlich keinen Rein-
ertrag erwirtschaften, sondern ihre Mitglieder direkt begünstigen sollte. Fällt trotzdem ein Reinertrag
an, so ist dieser konsequenterweise gemäss dem Genossenschaftszweck zu verwenden.
Sehen die Statuten eine Verteilung des Reingewinns an die Genossenschafter vor, so geschieht dies
gemäss Art 452 Abs 2 PGR mangels anderer Bestimmung nach Köpfen. Dies entspricht der Regelung
im OR-Entwurf von 1919, der in der Schweiz jedoch abgeändert wurde in eine Verteilung „nach dem
Masse der Benützung der genossenschaftlichen Einrichtungen durch die einzelnen Mitglieder.“!!! Dies
komme der genossenschaftlichen Idee näher, sollten doch grundsätzlich bei Verrechnung der genossen-
schaftlichen Leistungen zum Selbstkostenpreis gar keine Reingewinne anfallen. Wird dennoch ein Rein-
gewinn erwirtschaftet, „so wurden die genossenschaftlichen Einrichtungen grundsätzlich den Genos-
senschaftern zu teuer zur Verfügung gestellt. Erfolgt anschliessend eine Verteilung dieses Überschusses
nach Massgabe der Benützung der genossenschaftlichen Einrichtungen, so führt dies zu einer nachträg-
lichen Korrektur des vorher vom Genossenschafter für die Benützung verlangten zu hohen Entgelts.'?
Auch hinsichtlich der Verteilung des Reingewinns bei Genossenschaftsanteilen zeigt sich ein interes-
santer Unterschied zwischen den Regelungen im PGR und im OR. Gemiss Art 452 Abs 3 PGR sieht
die dispositive gesetzliche Regelung eine Aufteilung nach Anteilen vor, „und es kann für dieselben in
den Statuten eine Verzinsung vorgesehen sein*. In Art 859 Abs 3 OR wurde dazu präzisierend festge-
halten, dass diese Verzinsung , den landesiiblichen Zinsfuss fiir langfristige Darlehen ohne besondere
Sicherheiten nicht übersteigen" darf. Diese Dividendenbeschránkung ,1.S. der genossenschaftlichen
Idee‘“!* ist bezeichnend für die Entstehungsgeschichte der Regelung im OR, welche nach dem Entwurf
1919 von einer starken Einflussnahme genossenschaftlicher Kreise geprägt wurde.
Für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haftet laut Art 459 Abs 1 PGR in der Regel ausschliesslich
das Genossenschaftsvermógen. Mittels statutarischer Regelung kann die Haftung auch auf die Genos-
senschafter ausgedehnt werden, entweder in einem beschränkten Rahmen gemäss Art 462 PGR oder
unbeschränkt gemäss Art 461 Abs 1 PGR (Solidargenossenschaft). Art 459 Abs 3 PGR sieht auch die
Möglichkeit einer differenzierten Regelung für verschiedene Gruppen von Genossenschaftern vor (ge-
mischte Genossenschaft). Entsprechend können gemäss Art 463 PGR auch Nachschusspflichten der
Genossenschafter statutarisch festgelegt werden.
11! Art 859 Abs 2 OR.
112 Baudenbacher, Basler Kommentar Art 859 Rz 5.
15 Baudenbacher, Basler Kommentar Art 859 Rz 7.
35
Genossenschaftswesen Liechtenstein
5.1.1.5 Organisation (Art 471-478 PGR)
Das PGR schreibt hinsichtlich der Organisation von Genossenschaften drei Organe zwingend vor, näm-
lich die Generalversammlung (GV), die Verwaltung sowie die Revisionsstelle. Dabei fungiert gemäss
Art 471 Abs 2 die GV als oberstes Organ, welches die grundlegenden Beschlüsse zu fassen hat, insbe-
sondere Statutenänderungen. Zudem ist die GV Wahlorgan für die beiden anderen Organe.
Die Ausübung des Stimmrechts an der GV erfolgt gemäss Art 473 Abs 1 grundsätzlich durch den Ge-
nossenschafter persönlich, Abs 2 eröffnet jedoch die Möglichkeit zur Vertretung durch einen anderen
Genossenschafter. Die Beschlussfassung erfolgt gemäss Art 473a Abs 1 PGR in der Regel mit absoluter
Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei in Abs 2 und 3 für spezifische Beschlussthemen qualifizierte
Mehrheiten von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen (für Statutenänderungen oder Auflösung) oder
sogar drei Vierteln sämtlicher Genossenschafter verlangt werden (für Erhöhung der persönlichen Haf-
tung oder Nachschusspflicht der Genossenschafter).
5.1.1.6 Verwendung des Vermógens einer liquidierten Genossenschaft (Art 479—481 PGR)
Grundsätzlich kann gemáss Art 479 iVm Art 430a Z 8 PGR in den Statuten frei über die Verwendung
des Liquidationsüberschusses befunden werden. Ohne abweichende statutarische Regelung muss er ge-
nossenschaftlichen Zwecken erhalten bleiben. Dies ist in Art 481 PGR genauer geregelt, wobei auch die
Móglichkeit einer Verselbstündigung in Form einer Stiftung vorgesehen wird.
5.1.1.7 Umwandlung und Fusion (Art 482 PGR)
Art 482 PGR sieht ausdrücklich vor, dass eine eingetragene Genossenschaft in eine ,, Aktiengesellschaft,
Anteilsgesellschaft oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung‘ umgewandelt werden kann. Dafür
kommt Art 425 PGR über die Umwandlung einer AG in eine GmbH sinngemäss zur Anwendung. Wei-
ter werden auch die Fälle einer Übernahme einer Genossenschaft durch eine andere sowie die Vereini-
gung mehrerer Genossenschaften zu einer neu zu gründenden geregelt.
5.1.2 Bedeutung in Liechtenstein
Eingetragene Genossenschaften spielen im Alltagsleben in Liechtenstein eine bedeutende Rolle, oftmals
ohne dass den Nutzern bewusst ist, dass sie es mit Genossenschaften zu tun haben, wie die folgenden
Beispiele darlegen.
36
Genossenschaftswesen Liechtenstein
5.1.2.1 Genossenschaft Wasserversorgung Liechtensteiner Unterland (WLU)
Die für alle Einwohner des Liechtensteiner Unterlands existenzielle Wasserversorgung ist zwischen den
betroffenen Gemeinden genossenschaftlich organisiert. Nach vorgängiger Volksabstimmung wurde
durch die Gemeinden Gamprin, Eschen, Ruggell, Mauren und Schellenberg am 14. September 1960 die
Genossenschaft Wasserversorgung Liechtensteiner Unterland (WLU) gegründet.!!* Auch heute noch ist
sie gemäss Art 2 der Statuten für die „Bereitstellung von Trink-, Brauch- und Löschwasser und dessen
Lieferung an die Kunden^ zustándig.''5
5.1.2.2 Genossenschaft für sozial-psychiatrische Betreuung
Ein weiteres Beispiel für die Zusammenarbeit einzelner Gemeinden in Form einer Genossenschaft war
die Genossenschaft für sozial-psychiatrische Betreuung, die 1976 durch alle 11 Gemeinden Liechten-
steins gegründet wurde.!!° Diese eröffnete 1980 das Pflegeheim in Eschen, 1986 gefolgt vom Betreu-
ungszentrum in Triesen. Diese lósten die früheren Bürger- und Armenheime der Gemeinden ab. 1996
wurden diese beiden Betreuungszentren der 1995 gegründeten Stiftung Liechtensteinische Alters- und
Krankenhilfe (LAK) angegliedert und die Genossenschaft aufgelóst.!'?
5.1.2.3 Liechtensteiner Milchverband (LMV)
Mit dem Liechtensteiner Milchverband (LMV) besteht eine weitere eingetragene Genossenschaft mit
grosser lokaler Bedeutung. Diese umfasst gemáss Art 5 der Statuten! Milchproduzenten mit Betriebs-
standort in Liechtenstein sowie lokale Sennereigenossenschaften. Per 31. Januar 2016 hatte sie 53 Mit-
glieder.'? Sie hält als Untergesellschaft den Verarbeitungsbetrieb Milchhof AG, welcher den gróssten
Teil der in Liechtenstein produzierten Milch weiterverarbeitet. Ausgenommen ist die auf den Alpen
direkt weiterverarbeitete Milch.'? Dieses Beteiligungsverháltnis des LMV von 100 % an der Milchhof
AG ist in Art 26 der Statuten des LMV ausdrücklich festgehalten. Somit bedarf es für einen (Teil-)Ver-
kauf der Milchhof AG einer Statutenänderung, wozu gemäss Art 32 Abs 4 der Statuten eine Zwei-Drit-
tel-Mehrheit der Anwesenden notwendig wäre.
114 Ausführlich dazu: Genossenschaft Wasserversorgung Liechtensteiner Unterland (Hrsg), Wasserversorgung.
15 Statuten zugünglich unter www.wlu.li/Portals/0/Downloads/Statuten?620WLU.pdf (abgefragt am 1. April 2016).
116 Die Gründungsurkunde mit Stempel und Unterschriften aller Gemeindevorsteher sowie deren Stellvertreter ist reproduziert
in Genossenschaft für pflegerische und sozial-psychiatrische Betreuung e.G. (Hrsg), LBZ Eschen + Triesen, St. Martin und
St. Mamertus, die Betreuungszentren der Genossenschaft für pflegerische und sozial-psychiatrische Betreuung in Eschen
und Triesen, Eine Information aus Anlass der Eróffnung des Pflegeheimes St. Mamertus in Triesen (1986) 8.
17 Frick, Alters- und Pflegeheime, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon des
Fürstentums Liechtenstein I (2013) 18 (19).
113 Statuten des Liechtensteiner Milchverbandes vom 22. Dezember 2008.
11? Auskunft von Heimo Wohlwend, Verbandssekretär des LMV.
120 Dies sind allein auf der Alp Pradamee der Alpgenossenschaft Vaduz ca. 100‘000 kg Milch pro Sommer, sh
www.pradamee.li/produkte.html (abgefragt am 18. April 2016).
37
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Seit November 2014 wird der Milchhof in Schaan umgebaut. Dabei werden die Produktionsmöglich-
keiten erweitert und die Molkerei um eine eigene Käserei ergänzt.!?!
5.1.2.4 Wohnbaugenossenschaft Liechtenstein
Mit der wbl Wohnbaugenossenschaft in Liechtenstein e.G. ist vor zwei Jahren eine weitere eingetragene
Genossenschaft auf den Plan getreten, die dem Genossenschaftswesen in Liechtenstein eine neue Facette
hinzugefügt hat. Gemáss Art 3 der Gründungsstatuten vom 21. Márz 2014/2? verfolgt die Wohnbauge-
nossenschaft Liechtenstein ,,den Zweck, in gemeinsamer Selbsthilfe und Mitverantwortung ihren Mit-
gliedern dauerhaft den Bedarf an Wohnraum zu tragbaren finanziellen Bedingungen zu decken. Sie ist
bestrebt, Wohnraum in allen Gemeinden Liechtensteins und für alle Einwohner in Liechtenstein anzu-
bieten, insbesondere auch für Familien, Behinderte und Betagte. Des Weiteren fórdert sie das Zusam-
menleben im Sinne gesamtgesellschaftlicher Verantwortung und gegenseitiger Solidarität.“
Die Vorbereitungen und die Gründung der Wohnbaugenossenschaft waren von viel medialem Interesse
begleitet.^ Dies erklárt sich einerseits dadurch, dass mit der Gemeinde Vaduz ein prominentes Grün-
dungsmitglied involviert war. Zudem eróffnet sich durch die Gründung der Wohnbaugenossenschaft all
denjenigen, die nicht über Bodenbesitz oder umfangreiche finanzielle Mittel verfügen, die Móglichkeit,
Zugang zur in Liechtenstein besonders begrenzten Ressource Wohneigentum zu erlangen. Jeder Ein-
wohner Liechtensteins, unabhängig von Nationalitüt oder Gemeindebürgerrecht, kann gemäss Art 7 der
Statuten Mitglied der Wohnbaugenossenschaft Liechtenstein werden. Dies im Gegensatz zu den Alp-
und Bürgergenossenschaften, deren Kreis potenzieller Neumitglieder — und somit Nutzungsberechtigter
— viel enger gefasst ist.
Es wird interessant sein, die weitere Entwicklung der Wohnbaugenossenschaft Liechtenstein zu verfol-
gen. Der Spatenstich für die erste Überbauung erfolgte im April 2015 und der Bezug ist auf Anfang
2017 geplant.'?^ Es ist zu erwarten, dass nach einer gewissen zurückhaltenden Beobachtungsphase wei-
tere Projekte im ganzen Land folgen werden. Derzeit ist die Wohnbaugenossenschaft nach eigenen An-
gaben bereits mit fünf Gemeinden über solche im Gespráüch.'^
121 Ergänzende Informationen unter www.milchhof.li/neubau (abgefragt am 9. April 2016).
72 Abrufbar unter www.wohnbau.li/DE/Statuten/tblid/232/Default.asp (abgefragt am 7. April 2016).
23 Auf der Webseite der Wohnbaugenossenschaft Liechtenstein findet sich eine umfangreiche Zusammenstellung, vgl wohn-
bau.li/DE/Medien/tblid/240/Default.asp (abgefragt am 7. April 2016).
7^ wohnbau.li/DE/Projekte/Wohnbausiedlung-Birkenweg- V aduz-wbv/tblid/228/Default.asp (abgefragt am 9. April 2016).
75 Berichterstattung im Liechtensteiner Vaterland vom 20. April 2016, 21, über die Generalversammlung der Wohnbaugenos-
senschaft vom 18. April 2016, einsehbar unter http://wohnbau.li/DE/Medien/tblid/240/Default.asp (abgerufen am 20. April
2016).
38
Genossenschaftswesen Liechtenstein
5.1.2.5 Theater am Kirchplatz (TaK)
Mit der im Oktober 1972 gegründeten Theater am Kirchplatz eG erhielt die seit 1970 in Schaan tätige
Kleinkunstbühne TaK ihren bis heute bestehenden Rechtsträger einer eingetragenen Genossenschaft.!?®
Gemäss Art 2 der Statuten!” ist der Zweck der Genossenschaft „die Führung und der Betrieb des The-
aters am Kirchplatz als kulturelles Forum in Liechtenstein. Hauptauftrag ist das Anbieten eines hoch-
wertigen und vielfältigen Programms mit professioneller Theater- und Konzertkultur aus dem In- und
Ausland. Daneben engagiert sich das Theater am Kirchplatz im Bereich Kinder- und Jugendtheater und
schafft Verbindungen zu anderen Künsten.“
Im genossenschaftlichen Rechtskleid hat sich das TaK über die letzten Jahrzehnte zu einem Fixpunkt
im regionalen Kulturbetrieb entwickelt. In der Spielsaison 2014/2015 wurden 211 Veranstaltungen mit
insgesamt 27°907 Besuchern durchgeführt.!?*® Per Ende Juni 2015 zählte die Genossenschaft 168 Mit-
glieder. !?
5.1.2.6 Archiv-Atelier Spinieu
Eine weitere Genossenschaft mit Tätigkeitsbereich im kulturellen Bereich ist die 2009 gegründete Ar-
chiv-Atelier Spinieu eG. Dabei handelt es sich um ein Beispiel für eine Genossenschaft mit ausschliess-
lich juristischen Personen als Genossenschafter. Die Archiv-Atelier Spinieu eG fungiert als gemeinsame
Betriebsgenossenschaft zweier Stiftungen im kulturellen Bereich, nüámlich der Kanonikus Frommelt
Stiftung und der Prof. Ferdinand Nigg Stiftung. Sie hat den Auftrag, die umfassenden Sammlungen der
beiden Stiftungen zu betreuen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
5.1.2.7 Genossenschaft für Heizöl-Lagerhaltung
Als historisches Beispiel für die Einsatzmöglichkeit einer Genossenschaft soll noch auf die Genossen-
schaft für Heizöl-Lagerhaltung im Fürstentum Liechtenstein verwiesen werden. Diese wurde im Jahr
1973 im Kontext der ersten Ölpreiskrise gegründet. Gemäss Art 2 der Statuten vom 19. Juni 1973 be-
zweckte die Genossenschaft „die Bereitstellung und Unterhaltung geeigneter Anlagen für die Lagerung
126 Schremser, Theater am Kirchplatz (TaK), in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches
Lexikon des Fürstentums Liechtenstein II (2013) 926 f.
127 Statuten vom 4. November 2014, abrufbar unter www.tak.li/Portals/0/TAK_Statuten_Genossenschaft.pdf (abgefragt am 7.
April 2016).
128 Theater am Kirchplatz eG (Hrsg), Spielzeit 2014/2015, selber denken, Geschäftsbericht für die Spielsaison vom 01.07.2014
bis 30.06.2015 (2015) 27.
7? Theater am Kirchplatz eG (Hrsg), Geschäftsbericht 2.
130 Gespräch vom 26. Februar 2016 mit dem Geschäftsführer Sebastian Frommelt. Weitere Informationen sind zugänglich unter
http://archiv-atelier.li (abgefragt am 9. April 2016).
39
Genossenschaftswesen Liechtenstein
der von den Genossenschaftern für ihren eigenen Bedarf in unsicheren Zeiten anzulegenden Brennstoff-
vorráte^. In Abs 2 wird die Genossenschaft ausdrücklich als „Institution der gemeinsamen Selbst-
hilfe* defimert.'^' Im Jahr 2013 hat sie sich aufgelöst.
5.1.2.8 Solargenossenschaft Liechtenstein
Abschliessend soll mit der seit 1992 bestehenden Solargenossenschaft Liechtenstein noch eine weitere
eingetragene Genossenschaft erwähnt werden, welche in den vergangenen Jahren immer wieder breite
Beachtung gefunden hat und bis heute aktiv ist. Gemäss der Zweckbestimmung in Art 2 der Statuten
fördert sie „die Installation und den Betrieb von Anlagen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien [...]
setzt sich für die Nutzung der Erneuerbaren Energien durch die öffentliche Hand ein“ und „informiert
die Öffentlichkeit über die Nutzung der Erneuerbaren Energien.^??
Neben den unzähligen öffentlichen Informationsveranstaltungen zum Themenbereich der erneuerbaren
Energien, in den letzten Jahren vermehrt zur Frage der möglichen Nutzung der Windenergie in Liech-
tenstein!?, ist die Solargenossenschaft Liechtenstein auch mit ihren eigenen Solaranlagen in Erschei-
nung getreten, vor allem den grossen Photovoltaik-Anlagen auf den Rheinbrücken Bendern-Haag und
Vaduz-Sevelen sowie auf den Tribünendáchern des Rheinparkstadions Vaduz."
3! Ausführlich dazu: Genossenschaft für Heizól-Lagerhaltung im Fürstentum Liechtensiein (Hrsg), Erdól-Politik der Welt-
mächte, Heizôl-Vorsorge im Fürstentum Liechtenstein (1973) 8.
13? Statuten vom August 2012, einsehbar unter www.solargenossenschaft.li (abgefragt am 7. April 2016).
33 Eine Ausführliche Dokumentation der Tátigkeiten findet sich auf der Webseite der Solargenossenschaft Liechtenstein:
www.solargenossenschaft.li/index.php/download (abgefragt am 9. April 2016).
33^ Deren Leistung kann verfolgt werden unter http://chart.solargenossenschaft.li/index.php (abgefragt am 9. April 2016).
40
Genossenschaftswesen Liechtenstein
5.2 Nicht eingetragene Genossenschaften (Kleine Genossenschaften)
5.2.1 Überblick über die rechtlichen Grundlagen
Die nicht eingetragenen Genossenschaften werden vom PGR als ‚kleine Genossenschaften‘ bezeich-
net. Sie sind in Kapitel G, dem letzten Kapitel des Genossenschaftsrechts, in Art 483—495 PGR gere-
gelt. Diese werden in sieben Abschnitte unterteilt wie folgt:
I. ImAllgemeinen (Art 483 PGR)
IL Entstehung (Art 484 PGR)
IIl. Mitgliedschaft (Art 485-489 PGR)
IV. Organisation (Art 490-491 PGR)
V. Auflósung (Art 492 PGR)
VI. Nutzungsgenossenschaften kraft Gesetzes (Art 493-494 PGR)
VII. Vorbehalt (Art 495 PGR)
Den Geist dieser Bestimmungen umschreiben die Autoren des PGR im erláuternden Bericht zum PGR
gleich selbst. *Sind schon die eingetragenen Genossenschaften móglichst frei geregelt, so ist eine noch
freiere Regelung für die kleineren Genossenschaften (Art. 483 ff) vorgesehen. Sie lehnt sich an das
Vereinsrecht an.” 55
Entsprechend dieser Geisteshaltung umschreibt die Legaldefinition in Art 483 Abs 1 PGR kleine Ge-
nossenschaften nicht abstrakt sondern durch verschiedene beispielhafte Aufzählungen. Zuerst werden
unterschiedliche Tierzuchtgenossenschaften genannt, anschliessend Genossenschaften mit einem ,órt-
lich und sachlich beschránkten Wirkungskreis*, zuletzt Genossenschaften mit einem ,,mit Grund und
Boden verbundenen gemeinsamen Zweck“. Bei der ersten und dritten Kategorie wird die Aufzählung
abgeschlossen mit den Öffnungsklauseln „und ähnliche“ sowie „und dergleichen“. Das bei allen drei
Kategorien eingeschobene „wie“ stellt klar, dass es sich lediglich um nicht abschliessende Aufzühlungen
möglicher Beispiele handelt. Einzig in der Tatsache, dass alle Beispiele aus einem landwirtschaftlichen
Kontext stammen, kann ein einschränkendes Element erblickt werden.
Zur Gründung einer kleinen Genossenschaft als juristischer Person bedarf es gemáss Art 483 iVm 484
PGR gleich wie bei den eingetragenen Genossenschaften schriftlicher Statuten sowie der Bestellung der
Organe, allenfalls durch eine konstituierende Generalversammlung. Die Eintragungspflicht ins Handels-
register jedoch entfállt. Auch hinsichtlich kleiner Genossenschaften setzt das PGR keine Mindestanzahl
Mitglieder fest, womit die dort angestellten Überlegungen auch hier Gültigkeit haben und zwei Mitglie-
der genügen.
135 Beck/Beck, Kurzer Bericht 318.
41
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Hinsichtlich der Regelungen über die Mitgliedschaft verweist Art 485 PGR mehrfach auf die für einge-
tragene Genossenschaften geltenden Bestimmungen, so z.B. betreffend Haftung und Nachschusspflich-
ten. In Abweichung der dortigen Regelung sieht Art 485 Abs 1 PGR ausdrücklich die Möglichkeit vor,
dass die Statuten die Mitgliedschaft als vererblich vorsehen können. Dies ist gestützt auf das historische
Erbe insbesondere bei den Alpgenossenschaften bis heute noch verbreitet der Fall.
Für Alp- und Weidegenossenschaften sieht Art 486 vor, dass nur jenes Vieh gealpt respektive zur Weide
getrieben werden darf, „das mit dem in der Gemeinde, wo die Genossenschaft ihren Sitz und der Ge-
nossenschafter seinen Wohnsitz hat, gewachsenen Futter (Blumen) überwintert worden ist (Überwinte-
rungsgrundsatz).* Nur falls nicht geniigend derart iiberwintertes Vieh aufgetrieben werden kann, dürfen
Mitglieder gemäss Art 486 Abs 3 auch anders überwintertes Vieh auftreiben. Angesichts der Tatsache,
dass immer weniger Mitglieder der Liechtensteiner Alpgenossenschaften selbst Vieh halten!®, dürfte
diese Nutzungsbeschrünkung aus früheren Zeiten" heute gegenstandslos sein.
Ein weiteres Regulativ zur Anpassung des Tierbestands an die Ertragskraft der Alp! besteht in der
Zuteilung fester Kuh- oder Weiderechte gemáss Art 487 PGR. Diese Bestimmung sieht vor, dass die
Mitgliedschaft mit Anteilsrechten, auch ,Tesslen* genannt, verbunden werden kónnen. Entsprechend
richten sich die Berechtigungen und Verpflichtungen der einzelnen Mitglieder „nach Zahl und Grösse
der Teilrechte“.!* Über diese Genossenschaftsanteile ist ein Anteilbuch!^ zu führen, welches sich bei
Genossenschaftsalpen nach den Vorschriften im Sachenrecht über das Alp- oder Seybuch zu richten
36 Bei der Alpgenossenschaft Kleinsteg waren 2015 von 111 Mitgliedern nahezu 95 96 nicht mehr Viehtreibende (Beck, Die
Alpgenossenschaft Kleinsteg heute, in Alpgenossenschaft Kleinsteg (Hrsg), 400 Jahre Kauf Schádlersboden, Alpgenossen-
schaft Kleinsteg, 1406 . 1615 . 2015 (2015) 20.
137 In den Statuten der Alpgenossenschaften Gritsch und Guschg vom 24. März 1843 ist in Art 2 festgehalten: „Jeder Stoffel-
genosse hat das Recht, jáhrlich soviel Vieh auf benannte Alpen auftreiben zu kónnen, als er mit dem auf eigenthümlichen
Boden erzeugten Futter durchzuwintern im Stande war." (Pepic, Die ältesten Schaaner Alpstatuten, in Gemeinde Schaan
(Hrsg), 500 Jahre Alpgenossenschaften Schaan, FS zur Alpteilung von Gritsch und Guschg 1503 (2003) 57 (61).
138 Sh Ospelt, Alpwirtschaft, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon des Fürs-
tentums Liechtenstein I (2013) 14 (16).
139 Art 487 Abs 2 PGR.
9 Bis 1868 waren die Anteile der drei Triesenberger Genossenschaften Gross-Steg, Kleinsteg und Silum in Alprechtshólzer
geschnitzt, sogenannte ,Beigla'. Während auf der Vorderseite das Hauszeichen eingeritzt war, waren auf der Rückseite „mit
eingekerbten Strichen die Anteilrechte festgehalten: Ein ganzer Strich ist ein ganzer Anteil an Weid, ein halber Strich die
Hälfte eines Anteils, eine eingekerbte runde Vertiefung nur ein Viertel-Anteil. Die Beigla waren an einer Schnur aufgezogen
in einer Truhe in der Sakristei aufbewahrt, zum Öffnen waren drei Schlüssel notwendig, die der Pfarrer, der Richter und der
Kirchenpfleger in Verwahrung hatten. Änderungen an diesen Hölzern durften nur in Anwesenheit dieser drei Amtspersonen
ausgeführt werden.“ (Zwiefelhofer, Siedlungs- und Bauformen der Liechtensteiner Walser, in Historischer Verein für das
Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Band 96 (1998) 223).
42
Genossenschaftswesen Liechtenstein
hat.'^' Nach diesen Vorschriften ist beispielsweise die Mitgliedschaft bei den beiden Alpgenossenschaf-
ten Gross-Steg sowie Kleinsteg in 210 respektive 216 Weiderechte aufgeteilt.'? Letztere sind derzeit
unter 111 Genossenschaftern verteilt.!#
Hinsichtlich der Organisation sind im Gegensatz zur eingetragenen Genossenschaft für kleine Genos-
senschaften nur zwei Organe zwingend vorgesehen, nümlich die Genossenschaftsversammlung als
oberstes Organ gemäss Art 490 PGR sowie der Vorstand gemäss Art 491 PGR. Eine Revisionsstelle
kann gemäss Art 491 Abs 2 statutarisch vorgesehen werden.
Für den Fall der Auflösung sieht Art 492 Abs 1 PGR vor, dass das Vermögen mangels anderer statuta-
rischer Bestimmung im Verhältnis der Beteiligungen unter den Genossenschaftern verteilt wird. Alpge-
nossenschaften werden diesbezüglich in Art 492 Abs 2 PGR mit einem grundsätzlichen Auflösungsver-
bot belegt. Auch eine Zerstückelung oder Belastung um mehr als CHF 10°000 ist nicht zulässig. Aus-
nahmen können von der Regierung laut Art 492 Abs 3 zugelassen werden. „Der Gesetzgeber wollte
offensichtlich nicht nur eine Veräusserung von Grundstücken stark erschweren, sondern auch eine Ver-
schuldung der Genossenschaften verhindern, die schlussendlich zur exekutiven Veräusserung der Ge-
nossenschaftsalpen führen kónnte.'*^* Entsprechend sind auch andere Rechtsgeschäfte zu beurteilen, die
einer Veräusserung gleichkommen, z.B. weitgehende Dienstbarkeiten. ^5
5.2.2 Bedeutung in Liechtenstein
Traditionell hat die Organisationsform der kleinen Genossenschaften eine grosse Bedeutung in der Form
von Alpgenossenschaften, seit über hundert Jahren auch als Winzergenossenschaften. Mit den Liech-
tenstein Venture Cooperatives (LVC) ôffnet sich seit Herbst 2015 ein neues Feld.
5.2.2.1 Alpgenossenschaften
16,1 % der liechtensteinischen Landesflüche befinden sich im Eigentum von Alpgenossenschaften.'$
Bis ins 20. Jahrhundert hinein stellte der Alpertrag einen wichtigen Teil der Existenzgrundlage eines
Grossteils der Bevólkerung dar. Wührend dieser Bedeutungsaspekt heute nur noch in Einzelfillen seine
Gültigkeit behalten hat, sind die Alpgenossenschaften durch ihren beträchtlichen Grundbesitz wichtige
141 Art 158-170 Sachenrecht (SR), LGB1 1923/4, LR 214.0.
142 Art 3 der Statuten der Alpgenossenschaft Gross-Steg vom 28. Mirz 2014 sowie Art 3 der Statuten der Alpgenossenschaft
Kleinsteg vom 29. April 2011.
143 Beck, Kleinsteg heute 20.
144 Sele/Lampert, Das rechtliche Umfeld 35.
5 Sh auch Sele/Lampert, Das rechtliche Umfeld 35.
146 25*772:466 m?, sh Zusammenstellung am Ende der Vorbemerkungen zu dieser Arbeit.
43
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Ansprechpartner bei der Realisierung der durch Alpwirtschafts-, Wald- und Jagdgesetzgebung verfolg-
ten Ziele.
Derzeit bestehen in Liechtenstein die folgenden neun Alpgenossenschaften, die als kleine Genossen-
schaften im Sinne der Art 483 ff PGR organisiert und somit nicht im Handelsregister eingetragen sind:
- Alpgenossenschaft Gapfahl-Güschgle
- Alpgenossenschaft Gritsch
- Alpgenossenschaft Gross-Steg
- Alpgenossenschaft Guschg
- Alpgenossenschaft Guschgfiel
- Alpgenossenschaft Kleinsteg
- Alpgenossenschaft Silum
- Alpgenossenschaft Triesenberg
- Alpgenossenschaft Vaduz
Die Alpgenossenschaften Liechtensteins sind aus rechtshistorischer Sicht das direkte Verbindungsglied
der heutigen Zeit mit den vergangenen Jahrhunderten. Sie greifen teilweise weit vor die Entstehungszeit
der oben besprochenen Regelungen im PGR zurück. Entsprechend ist die Mitgliedschaft traditionell an
die Abstammung von einem Alpgenossen gebunden, ergänzt um die Möglichkeit zur Neuaufnahme
weiterer Gemeindebürger durch die Genossenschaftsversammlung.!*
Die Nutzung der Alpen auf dem Gebiet des heutigen Liechtenstein ist bis weit in vorrömische Zeiten
archäologisch nachgewiesen. Schriftliche Quellen existieren ab dem 7. Jahrhundert.^? Eine Nutzung
durch Alpgenossenschaften lásst sich ab dem 15. Jahrhundert für die Alp Malbun (Pradamee) nachwei-
sen. Aus dem Jahr 1503 ist die Aufteilung der Alpen Gritsch und Guschg unter die Dorfgenossen der
Schaaner Dorfteile St. Peter und St. Lorenz belegt.'^' Die ältesten bekannten schriftlichen Statuten der
Genossenschaften Gritsch und Guschg datieren aus dem Jahr 1843.15?
147 Sh zu den damit verbundenen Problemfeldern: Sele/Lampert, Das rechtliche Umfeld 38 ff.
4$ So zB. die Regelung in Art 3 und 4 der Statuten der Alpgenossenschaft Guschgfiel vom 19. Juni 2006: , Das Recht der
Zugehórigkeit zur Alpgenossenschaft Guschgfiel erlangen die Nachkommen eines Alpgenossen oder einer Alpgenossin kraft
Abstammung oder Legitimation. [...] Eine weitere Art, dieses Recht zu erwerben, besteht in der entgeltlichen oder unentgelt-
lichen Aufnahme eines nicht alpberechtigten Balzner Gemeindebürgers als Alpgenossen durch die Genossenschaftsver-
sammlung*. Áhnlich auch die Regelungen in den Statuten der Alpgenossenschaften Gritsch und Guschg vom 27. Juni 2007
sowie in den Statuten der Alpgenossenschaft Vaduz vom 22. Januar 2013.
149 Ospelt, Alpwirtschaft 15.
150 Biedermann, Genossenschaften in Liechtenstein 229.
151 Ausführlich dazu Gemeinde Schaan (Hrsg), 500 Jahre Alpgenossenschaften Schaan, FS zur Alpteilung von Gritsch und
Guschg 1503 (2003).
152 Pepié, Schaaner Alpstatuten 57.
44
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Aus den oben genannten Alpgenossenschaften, die meistens seit Jahrhunderten Bestand haben, sticht
die Alpgenossenschaft Triesenberg als Neugründung aus dem Jahr 2014 hervor. Im Gegensatz zu den
bestehenden Alpgenossenschaften fällt in den Statuten vom 9. Dezember 2014 die aussergewöhnlich
offene Umschreibung des Mitgliederkreises in Art 5 auf, die nicht auf Abstammung fusst: „Mitglied der
Alpgenossenschaft Triesenberg können — unabhängig ihres Wohnsitzes — Rindviehbesitzer werden, die
einen Landwirtschaftsbetrieb führen und auf den von der Alpgenossenschaft Triesenberg gepachteten
Alpen und Maiensässen Vieh sömmern.“ Der gleiche Geist ist auch in Art 16 der Statuten über die
Zusammensetzung des Alpvorstands erkennbar. Dort wird festgehalten, dass „auch Nichtmitglieder
wählbar“ sind. Anlässlich der konstituierenden Genossenschaftsversammlung wurde dieser Punkt dis-
kutiert und darauf hingewiesen, dass „es einerseits nicht einfach ist, Personen für diese Aufgabe zu
rekrutieren, andererseits die Aufgaben von kompetenten Personen ausgeführt werden sollen.‘
5.2.2.2 Winzergenossenschaften
Neben den Alpgenossenschaften sind auch die beiden Winzergenossenschaften Vaduz sowie Balzers-
Mäls als kleine Genossenschaften im Sinne des PGR organisiert. Dabei geht die Gründung der Winzer-
genossenschaft Vaduz vor den Erlass des PGR zurück, nämlich bis 1894/1895.55* Im 19. Jahrhundert
stellte der Weinbau in Vaduz noch die Haupteinnahmequelle dar, „neben Viehzucht und Ackerbau, die
mehr der Selbstversorgung dienten. ^ Als Reaktion auf die Rebbaukrise gegen Ende des Jahrhunderts
wurde die Winzergenossenschaft gegründet zum gemeinsamen Einkauf der Spritzmittel zur Schádlings-
bekümpfung, der entsprechenden Instruktion der Winzer sowie der gemeinsamen Absatzfórderung im
In- und Ausland.!* Sie besteht bis heute und verfolgt gemäss Art 2 der Statuten den Zweck „qualitativ
hochwertigen Wein zu produzieren und diesen gemeinsam zu vertreiben“.!”
Die Winzergenossenschaft Balzers-Mäls wurde 1952 gegründet. Die Gründungsstatuten legen als
Zweck „die Förderung des Weinbaues in der Gemeinde Balzers und die genossenschaftliche Verwer-
tung der anfallenden Ernten“ fest.'® In den aktuell gültigen Statuten vom 17. Februar 2006 sticht die
differenzierte Regelung der Mitgliedschaft in Art 5 hervor, welche neben der Aktivmitgliedschaft, die
153 Protokoll über die konstituierende Genossenschaftsversammlung der Alpgenossenschaft Triesenberg vom 9. Dezember
2014, 2.
Auch der Präsident der Alpgenossenschaft Kleinsteg regt an, „die Einschränkung aus neuerer Zeit, das Triesenberger Bür-
gerrecht als Bedingung für den Erwerb von Weiderechten in den Statuten festzuschreiben, zu überdenken.“ (Beck, Kleinsteg
heute 29 f).
154 Das genaue Gründungsdatum ist nicht geklärt, sh Ospelt, Die Geschichte des Weinbaus in Vaduz, in Winzergenossenschaft
und Gemeinde Vaduz (Hrsg), Vaduzer Wein, 100 Jahre Winzergenossenschaft? (2002) 9.
155 Ospelt, Weinbau in Vaduz 25. Ausführlich dazu Ospelt, Wirtschaftsgeschichte 170 ff.
156 Ospelr, Weinbau in Vaduz 94.
157 Art 2 der Statuten vom 8. Dezember 1998.
158 Art 2 der Statuten vom Márz 1952.
45
Genossenschaftswesen Liechtenstein
an die Bewirtschaftung von mindestens 100 Rebstöcken auf definierten Parzellen geknüpft ist, weitere
Kategorien vorsieht. Dabei handelt es sich um Passiv-, Gönner- und Ehrenmitgliedschaft, die in allen
drei Fällen ohne Stimmrecht ausgestaltet ist.
5.2.2.3 Neue Idee: Innovationsgenossenschaften
Im Rahmen verschiedener Initiativen des Ministeriums für Präsidiales und Finanzen der liechtensteini-
schen Regierung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Innovation in Liechtenstein hat dieses
im Herbst 2015 das Projekt der Liechtenstein Venture Cooperative (LVC) vorgestellt, was am ehesten
mit ‚Innovationsgenossenschaft‘ übersetzt werden kann. Dabei handelt es sich um die Anregung, dass
ein Erfinder einer neuen Geschäftsidee diese so rasch als möglich in eine eigene Rechtsform einbringt,
nämlich in eine als LVC organisierte kleine Genossenschaft gemäss Art 483 ff PGR. Dadurch soll eine
Plattform geschaffen werden für eine „erleichterte Kooperation mit anderen Know-How-Trägern und
Kapitalgebern [...] Die LVC bietet eine rechtliche Basis, um Arbeits-, Sach- und Kapitalleistungen von
verschiedenen Personen (natürlich und juristisch), die nôtig sind, um eine Innovation zu entwickeln, in
Form einer Investition einzubringen.*'? Zur Bewertung der verschiedenen Beiträge während der Ent-
wicklung einer Innovation (Geschäftsidee, Kapital, Arbeit, Beziehungen, Erfahrung etc.) wird vom Mi-
nisterium ein Berechnungsmodell vorgeschlagen und zur Verfügung gestellt, das „Erfinder, Arbeitsleis-
tende und Kapitalgeber gleichermassen schützen 9 soll.
Vom Ministerium werden zur Bekanntmachung der LVC-Idee verschiedene Unterlagen zur Verfügung
gestellt, so neben dem erláuternden Code of Conduct auch Vorlagen für Statuten, Beitragsreglement,
Errichtungsurkunde, Innovationsurkunde sowie ein LVC-Anteilsrechner.'*! Auf dieser Grundlage soll
es interessierten Erfindern ermóglicht werden, mit geringem Aufwand eine LVC zu gründen. Diese
entsteht schliesslich mit Unterzeichnung der Statuten durch die Gründer. Sie ist im Handelsregister we-
der einzutragen noch zu hinterlegen, was auch dem Diskretionsbedürfnis in dieser Projektphase entge-
gen kommt.'?
159 Regierung des Fürstentum Liechtenstein, Ministerium für Prásidiales und Finanzen, Liechtenstein Venture Cooperative,
Code of Conduct, Version 2.0 vom 23. Februar 2016, 1, publiziert auf www.regierung.li/files/attachments/LVC Code-
ofConduct 2 0.pdf?t2635958774260263635 (abgefragt am 10. April 2016).
18? Regierung des Fürstentum Liechtenstein, Ministerium für Prásidiales und Finanzen, Liechtenstein Venture Cooperative,
Code of Conduct, Version 2.0 vom 23. Februar 2016, 1, publiziert auf www.regierung.li/files/attachments/LVC Code-
ofConduct 2 0.pdf?t2635958774260263635 (abgefragt am 10. April 2016).
16! www.regierung.li/ministerien/ministerium-fuer-praesidiales-und-finanzen/lvc/ (abgefragt am 10. April 2016).
162 Entsprechend ist auch die von Thomas Dünser, Mitarbeiter der Regierung und Ansprechpartner für das Projekt LVC, im
Rahmen eines persönlichen Gesprächs am 9. März 2016 getätigte Aussage, wonach seit Herbst 2015 bereits zwei LVC
gegründet worden seien, nicht überprüfbar.
46
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Gemäss Art 3 der vom Ministerium zur Verfügung gestellten Statutenvorlage besteht der Zweck der
LVC „in der Entwicklung der Invention zur Marktreife oder zumindest bis zu einem Stadium, ab wel-
chem die Weiter- bzw. Fertigentwicklung oder der Verkauf bzw. die Vermarktung der Innovation ge-
währleistet ist.“ Bei Markteintritt soll die LVC dann ins Handelsregister eingetragen werden und kann
anschliessend in eine andere Rechtsform umgewandelt werden, die den Bedürfnissen in dieser späteren
Projektphase besser entspricht.
Die LVC stützen sich auf Art 483 Abs 1 PGR als gesetzliche Grundlage.!? Wie oben dargelegt, definiert
diese Bestimmung kleine Genossenschaften nicht abstrakt beschreibend, sondern durch verschiedene
beispielhafte Aufzáhlungen. Dies lásst sehr viel Offenheit. Gleichzeitig stammen jedoch alle Beispiele
aus einem landwirtschaftlichen Kontext. Es ist folglich zumindest fraglich, ob die in der Bestimmung
enthaltenen Offnungsklauseln eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf Innovationsgenossen-
schaften zulassen, ist damit doch das Privileg der Entstehung ohne Eintragungspflicht im Handelsregis-
ter verbunden. Entsprechend bereitet das Ministerium derzeit eine Ergánzung von Art 483 PGR vor,
welche in diesem Punkt Rechtssicherheit bringen soll.!*
165 Kleine Genossenschaften, wie Kleinviehzuchtgenossenschaften für Kálber, Ziegen, Schafe, Schweine, sodann Geflügel-,
Bienenzucht- und ähnliche Genossenschaften, ferner kleine Genossenschaften, die einen örtlich und sachlich beschränkten
Wirkungskreis haben, wie Viehzucht-, Jagd-, Fischereigenossenschaften, oder einen mit Grund und Boden verbundenen
gemeinsamen Zweck verfolgen, wie Allmend-, Alpen-, Flur-, Wald-, Weid-, Winzer-, Obstbau-, Sennerei-, Brunnen-, Be-
wässerungs- und Entwässerungsgenossenschaften und dergleichen erlangen, auch wenn sie sich als Genossenschaften be-
zeichnen, das Recht der Persönlichkeit, sobald sie nach besonderen, auf sie anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen wie
bei Alpgenossenschaften oder mangels solcher nach den folgenden und ergänzend nach den für Vereine aufgestellten Vor-
schriften gebildet sind, ohne dass sie sich ins Handelsregister eintragen lassen müssen.“
164 Thomas Dünser, Mitarbeiter der Regierung und Ansprechpartner für das Projekt LVC, anlässlich eines persönlichen Ge-
sprächs am 9. März 2016.
47
Genossenschaftswesen Liechtenstein
6 Genossenschaftsformen mit spezialgesetzlicher Grundlage
Neben den eingetragenen und den nicht eingetragenen Genossenschaften mit gesetzlicher Grundlage im
PGR kennt das liechtensteinische Recht noch zwei weitere Genossenschaftsformen mit spezialgesetzli-
cher Grundlage. Dabei handelt es sich um die Bürgergenossenschaften sowie die Europäischen Genos-
senschaften (SCE).
Eine weitere spezialgesetzliche Grundlage, nämlich das Gewerbegenossenschaftsgesetz aus dem Jahr
1936!', wurde im Jahr 2006 aufgehoben.!“ Aus der Gewerbegenossenschaft ist die heutige Interessen-
vertretung Gewerbe- und Wirtschaftskammer (GWK) hervorgegangen.
6.1 Bürgergenossenschaften
6.1.1 Ursprung
Mit dem Gesetz über die Bürgergenossenschaften (BüGG) gelang es 1996 — nach vergeblichen Versu-
chen 1849 und 1926 — eine Regelung zu schaffen zur Entflechtung des Eigentums der historisch jünge-
ren politischen Gemeinden und der álteren Nutzungsstrukturen der sogenannten Bürgergemeinden.'*?
Diese greifen auf Genossenschaftsstrukturen aus der vorliberalen Zeit zurück und betreffen die gemein-
sam reglementierte Nutzung der landwirtschaftlichen Güter Weiden, Felder, Wálder und Alpen. Im
Laufe der letzten beiden Jahrhunderte wurde die Verwaltung dieser Güter faktisch oft den Anfang des
19. Jahrhunderts neu entstandenen politischen Gemeinden übertragen, nicht jedoch das Eigentum. In-
folge zunehmender Zu- und Binnenwanderung wurde dabei die Diskrepanz zwischen den ursprünglich
Nutzungsberechtigten und dem Rest der Gemeindeansássigen immer grósser. ' Dies führte dazu, dass
eine immer grósser werdende Zahl von Einwohnern einer politischen Gemeinde für Leistungen an das
Eigentum der Bürgergemeinde aufkommen musste, an dem nur eine immer kleiner werdende Anzahl
Alteingesessener Nutzungsrechte besass. So lebten 1930 durchschnittlich erst 14,6 96 der Gemeindebür-
ger ausserhalb ihrer Heimatgemeinde, bis 1980 erhóhte sich dieser Anteil jedoch auf 27,8 96 und stieg
bis 1995 auf über einen Drittel (33,8 96).199
Der Gesetzgebungsprozess für das BüGG geht auf ein Postulat aus dem Jahr 1982 zurück. Im Kontext
der geplanten Einführung des Frauenstimmrechts, der damit verbundenen Gleichstellungsdiskussionen
165 Gesetz vom 22. Januar 1936 betreffend die Errichtung einer Gewerbegenossenschaft (GewGenG), LGBI 1936/2.
156 Gesetz vom 25. Oktober 2006 betreffend die Schaffung der Rechtsgrundlagen zur Überführung der Gewerbe- und Wirt-
schaftskammer in eine privatrechtliche Organisationsform, LGBI 2006/252.
167 Ausführlich zur Entwicklung des Gemeinderechts in Liechtenstein: Schiess, Die historische Entwicklung des liechtenstei-
nischen Gemeinderechts, Arbeitspapiere Liechtenstein-Institut Nr. 50 (2015).
168 Marguardt, Bürgergenossenschaft, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon
des Fürstentums Liechtenstein I (2013) 131.
19 Bussüser, Stellungnahme zum Postulat betreffend die Bedeutung und Sinnhaftigkeit des Gemeindebürgerrechts (2014) 6.
48
Genossenschaftswesen Liechtenstein
und der Zuwanderung von Ausländern bekam die alte Diskussion neuen Elan. Dazu kamen die oben
erwähnte zunehmende Binnenwanderung und die Tatsache, dass angesichts der veränderten wirtschaft-
lichen Verhältnisse die Nutzungsberechtigung am Gemeingut für das wirtschaftliche Überleben der Fa-
milien in den meisten Fällen kaum noch eine Rolle spielte. Dies führte dazu, dass es dieses Mal gelang,
auch in Liechtenstein einen Gemeindedualismus einzuführen. Im angrenzenden Schweizer Rheintal war
ein solcher bereits seit der St. Galler Kantonsgründung im frühen 19. Jahrhundert Realität. Beeinflusst
vom österreichischen Konzept der Einheitsgemeinde hatte sich Liechtenstein mit einer klaren Trennung
schwerer getan.!7?
Die Diskussionen über den Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), der für Liechten-
stein nach zwei Volksabstimmungen in den Jahren 1992 und 1995 und den damit verbundenen intensi-
ven Abstimmungsdebatten am 1. Mai 1995 in Kraft getreten ist, dürften diesem Trennungsprozess den
nötigen Zusatzschub verliehen haben. Angesicht der erwarteten weiteren Zuwanderung und möglicher
Teilnahme der Zugewanderten an den althergebrachten Nutzungsrechten wuchs der Wunsch, die Be-
sitzverhältnisse der politischen Gemeinden und der ursprünglich Nutzungsberechtigten zu klären — und
so weit möglich zu bewahren."
6.1.2 Überblick über die rechtlichen Grundlagen
Bürgergenossenschaften sind gemäss Legaldefinition in Art 1 BGG Körperschaften des öffentlichen
Rechts, die aus ihren Mitgliedern bestehen und sich im Rahmen des gesetzlich definierten Regelungs-
verfahrens gebildet haben. Gemäss Art 2 BüGG ist es ihr Ziel, in Fortführung der alten Rechte und
Übungen das Genossenschaftsgut zu verwalten und zu wahren und ihren Mitgliedern Anteil an dessen
Nutzung zu gewähren.
Die Mitglieder einer Bürgergenossenschaft sind gemäss Art 3 Abs 1 BüGG bei deren Gründung die bis
anhin Nutzungsberechtigten. Art. 3 Abs 2 BüGG legt die Voraussetzungen für die Aufnahme weiterer
Mitglieder fest. Dies erfolgt - zusammenfassend — über Antrag, sofern eine Abstammung von oder Hei-
rat mit einem Mitglied sowie die Liechtensteiner Staatsbürgerschaft vorliegt. Abs 3 der gleichen Be-
stimmung enthált weiter eine Offnungsklausel, die es den einzelnen Bürgergenossenschaften freistellt,
170 BuA Nr 68/1990, 8.
171 So auch der Vorsitzende der Bürgergenossenschaft Triesen, Emanuel Banzer, anlässlich eines persönlichen Gesprächs am
4. November 2015. In der Abstimmungsbroschüre vom Dezember 2002 über die Errichtung der Bürgergenossenschaft Trie-
sen wurde als Pro-Argument festgehalten: „In Zeiten rasanter gesellschaftlicher Veränderung, Öffnung nach verschiedenen
Richtungen und europäischer Integration durch Teilnahme am EWR bietet die Bürgergenossenschaft ein wohltuendes Ge-
gengewicht. Sie kann dazu beitragen, Wurzeln zu festigen oder neu zu bilden. Grosse, globale Gebilde hingegen tragen mit
ihrer Anonymität zum Verlust von Verantwortungsbewusstsein bei.“ (Gemeinde Triesen (Hrsg), Abstimmung Bürgergenos-
senschaft Triesen, Eine Dokumentation (2002) 32, einsehbar unter www.bgt.li/mitgliedschaft/ (abgefragt am 10. April 2016)).
49
Genossenschaftswesen Liechtenstein
darüber hinaus auch weitere Liechtensteiner Staatsbürger aufzunehmen, sofern sie keiner anderen Bür-
gergenossenschaft angehóren.'?
In diesen Bestimmungen zeigt sich der Charakter der Bürgergenossenschaften als Personalkórperschaf-
ten. Im Gegensatz zu den politischen Gemeinden als Gebietskórperschaften ist nicht das territoriale Ele-
ment in erster Linie wesentlich, z.B. der Wohnsitz in einem bestimmten Gemeindegebiet, sondern die
Anknüpfung an die Mitgliedschaft.'^
Die Teilnahme an der Nutzung der Genossenschaftsgüter ist in Art 5 BüGG geregelt. Konkret regle-
mentiert wird dabei der Holzbezug, die Nutzung von land- oder alpwirtschaftlichen Gütern" sowie die
Zuteilung von Grundstücken im Baurecht. Diese Nutzungen sind jeweils eingeschränkt auf Eigenbedarf
und Führung eines eigenen Haushalts oder landwirtschaftlichen Betriebs in der Gemeinde. Gemäss Art
5 Abs 5 BüGG kónnen die Statuten zudem vorsehen, dass der Haushalt oder Betrieb auch in einer an-
deren Gemeinde des Landes liegen kónnen — was Genossenschafter mit Wohnsitz im Ausland von der
Teilnahme an der Nutzung ausschliesst.
Entsprechend dem Gesetzeszweck in Art 2 BüGG, in „Fortführung der alten Rechte und Übungen“ den
Nutzungsanteil der Mitglieder zu verwalten und zu wahren, was eine zeitliche Perspektive in die Zukunft
beinhaltet, verbietet Art 5 Abs 6 BüGG jegliche „Verteilung von Genossenschaftsgut oder von Ver-
kaufserlösen an einzelne Mitglieder“. Es soll verhindert werden, dass die Mitglieder das Genossen-
schaftsgut untereinander aufteilen und sich daran bereichern, weswegen lediglich Teilnahmsrechte an
der Nutzung vorgesehen sind. Die Substanz soll dabei unangetastet bleiben.
Ergänzend zu den Regelungen des BüGG sind auch auf Bürgergenossenschaften die Bestimmungen des
PGR anwendbar. Art 13 BüGG hält dies für aufrechte Bürgergenossenschaften fest, Art 31 in den Über-
gangs- und Schlussbestimmungen des BüGG postulierte dasselbe für den Zeitraum zwischen Abschluss
des Regelungsverfahrens und dem Erlass der neuen Statuten.!”s
7? Lediglich die Bürgergenossenschaften Mauren und Eschen haben gestützt auf diese Offnungsklausel in Art 4 Abs 1 litc
ihrer Statuten die Móglichkeit vorgesehen, dass auch Gemeindebürger aufgenommen werden kónnen, die das Bürgerrecht
,auf dem Weg der ordentlichen Einbürgerung (Gemeindeabstimmung) erworben haben." Darüber hinaus hat die Bürgerge-
nossenschaft Eschen als einzige in Art 4 Abs 2 ihrer Statuten die Móglichkeit geschaffen, solche Landesbürger in die Bür-
gergenossenschaft aufzunehmen, welche die genannten Voraussetzungen (Abstammung etc.) nicht erfüllen, so z.B. erleich-
tert Eingebürgerte.
173 BuA Nr 68/1990, 16.
174 In Eschen umfasst dies auch die Nutzung eines Schrebergartens, die in einem eigenen Schrebergärtenreglement geregelt ist
und gemáss Art 1 Abs 4 allen Einwohnern von Eschen und Nendeln offen steht, die seit 5 Jahren dort wohnhaft sind:
www.eschen.li/B%C3%BCrgergenossenschaft/StatutenReglemente.aspx (abgefragt am 10. April 2016).
75 Nachdem sich zwischenzeitlich alle elf Gemeinden für oder gegen die Gründung einer Bürgergenossenschaft entschieden
haben, die entsprechenden Gründungen vollzogen und Statuten erlassen sind, ist Art 31 zwischenzeitlich gegenstandlos ge-
worden.
50
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Mit der Errichtung der Bürgergenossenschaft Vaduz im Jahr 2010 wurde die Bildung von Bürgergenos-
senschaften gemäss BüGG abgeschlossen. Weitere Bürgergenossenschaften kónnen auf der bestehen-
den Gesetzesgrundlage nicht errichtet werden, sind die zur Gründung notwendigen Regelungsverfahren
gemäss Art 1 Abs 2 iVm Art 19 ff BüGG doch alle abgeschlossen - oder gar nicht aufgenommen worden.
176
6.1.3 Bestandsaufnahme
Auf Grundlage des BüGG wurden folgende fünf Bürgergenossenschaften gegründet, gereiht nach dem
Datum ihrer Eintragung im Handelsregister:
- Bürgergenossenschaft Triesen (23. Februar 2004)
- Bürgergenossenschaft Eschen (22. September 2004)
- Bürgergenossenschaft Balzers (10. Januar 2005)
- Bürgergenossenschaft Mauren (14. Juni 2005)
- Bürgergenossenschaft Vaduz (21. Januar 2011)
In den anderen sechs Gemeinden entschieden sich die Gremien der politischen Gemeinde und der Bür-
gergemeinde gegen die Bildung einer Bürgergenossenschaft. Somit fielen gemäss Art 30 BüGG die
Liegenschaften in das unbelastete Vermógen der politischen Gemeinde. Frühere Rechte und Ansprüche
auf Teilnahme an der Nutzung und Verwaltung erloschen. Damit setzte sich in diesen sechs Gemeinden
das Konzept der Einheitsgemeinde durch, im Gegensatz zum Dualismus von politischer Gemeinde und
Bürgergenossenschaft.
Ein Vergleich der Statuten der fünf Bürgergenossenschaften'" ergibt viele Ahnlichkeiten und Übereinst-
immungen, sowohl vom Grundaufbau her als auch vom Inhalt der einzelnen Bestimmungen. Offensicht-
lich wurden diese Grundsatzdokumente in enger Abstimmung erarbeitet.
6.1.4 Bedeutung in Liechtenstein
Mehr als ein Viertel der liechtensteinischen Landesfláche, genauer gesagt 26,5 96, befindet sich im Ei-
gentum von Bürgergenossenschaften."* Nur schon diese Kennzahl deutet auf eine grosse wirtschaftliche
7$ Für Details zu den einzelnen Gemeinden, sh Bussjdáger, Stellungnahme 16.
177 Statuten der Bürgergenossenschaft Balzers, in der Fassung vom 2. Juli 2012; Statuten der Bürgergenossenschaft Eschen, in
der Fassung vom 16. Juni 2014; Statuten der Bürgergenossenschaft Triesen, in der Fassung vom 29. Mai 2006; Statuten der
Bürgergenossenschaft Vaduz, in der Fassung vom 25. Márz 2013; Statuten der Bürgergenossenschaft Mauren, in der Fassung
vom 26. Mai 2009.
178 42‘515‘842 m°, sh Zusammenstellung am Ende der Vorbemerkungen zu dieser Arbeit.
51
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Bedeutung der Bürgergenossenschaften im heutigen Liechtenstein hin, verwalten sie doch über einen
Viertel eines äusserst knappen Guts. Dies macht die Bürgergenossenschaften zu einem wichtigen Akteur
auf dem umkümpften Liechtensteiner Bodenmarkt — und macht die Mitgliedschaft bei einer Bürgerge-
nossenschaft attraktiv. Dabei geht es in den meisten Fállen nicht mehr um die mógliche Nutzung von
land- und forstwirtschaftlichen Gütern, da nur noch ein kleiner Teil der Mitglieder wirtschaftlich darauf
angewiesen ist, als vielmehr um die mógliche Nutzung von Bauland im Baurecht oder Miete von Lie-
genschaften der Bürgergenossenschaft.
Ein weiterer zentraler Aspekt liegt in der emotionalen Bedeutung der Zugehórigkeit zu einer Bürgerge-
nossenschaft. Dies kann Teil des Heimatgefühls und der Selbstidentifikation sein, was auch in den Ab-
stimmungsunterlagen zur Bildung der verschiedenen Bürgergenossenschaften herausgestrichen wurde.
79? Anlásslich der Landtagsdebatte im Dezember 2014 zur Postulatsbeantwortung betreffend die Bedeu-
tung und Sinnhaftigkeit des Instituts des Gemeindebürgerrechts áusserten sich einige Abgeordnete eben-
falls in diese Richtung.'*?
Zugleich wurde in diesem Zusammenhang aber auch kritisch darauf hingewiesen, dass die Schaffung
der Bürgergenossenschaften eine bestehende Mehrklassengesellschaft fortgeführt habe. Dabei werden
drei Kategorien von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern Liechtensteins mit unterschiedlichen Rechten
unterschieden: (a) diejenigen mit Wohnsitz in ihrer Heimatgemeinde und Mitgliedschaft bei der Bür-
gergenossenschaft, (b) diejenigen mit Wohnsitz in ihrer Heimatgemeinde ohne Mitgliedschaft in der
Bürgergenossenschaft sowie (c) diejenigen mit Wohnsitz in einer anderen Gemeinde Liechtensteins. !*!
Ein solcher führt in den Bürgergenossenschaften Mauren und Eschen zu einem Stimmrechtsausschluss,
nicht jedoch in Balzers, Triesen und Vaduz.'?
Was den einen Heimat und Identität stiftet, nämlich die Mitgliedschaft bei einer Bürgergenossenschaft,
lässt andere vor verschlossener Tür stehen. Die Exklusivität einer Gemeinschaft kann — im wahrsten
179 In der Abstimmungsbroschüre vom Dezember 2002 über die Errichtung der Bürgergenossenschaft Triesen heisst es unter
den Pro-Argumenten: „Es ist eine schöne Aufgabe, durch die Mitgliedschaft in der Bürgergenossenschaft Verantwortung für
die Erhaltung von etwas historisch Gewachsenem zu übernehmen. Die Bürgergenossenschaft ermöglicht es ihren Mitglie-
dern, sich mit ihrem Heimatort zu identifizieren und sich im Dienste der gesamten Öffentlichkeit einzusetzen.“ (Gemeinde
Triesen (Hrsg), Abstimmung Bürgergenossenschaft 32).
In den Vaduzer Unterlagen heisst es: „Über die Verwaltung des Vermögens hinaus soll die Bürgergenossenschaft zudem die
bestehende Rechtstradition verstärkt ins Bewusstsein rufen, zum kulturellen Leben in Vaduz beitragen und die Verbunden-
heit der Genossenschafter mit ihrem Heimatort Vaduz stärken, indem sie Verantwortung für eine nachhaltige Gestaltung
dieser Heimat übernimmt.“ (Gemeinde Vaduz (Hrsg), Dokumentation und Information zur Bürgerversammlung vom 30.
August 2010 (2010) 14, verfügbar unter www.bgvaduz.li/BGVaduz/Geschichte.aspx (abgefragt am 3. März 2016)).
1$? Landtag des Fürstentums Liechtenstein (2014): Postulatsbeantwortung betreffend die Bedeutung und Sinnhaftigkeit des
Instituts des Gemeindebürgerrechts (Nr. 112/2014). In: Landtagsprotokoll der Sitzung vom 3. Dezember 2014, 2284—2297.
15! Landtag des Fürstentums Liechtenstein (2014): Postulatsbeantwortung betreffend die Bedeutung und Sinnhaftigkeit des
Instituts des Gemeindebürgerrechts (Nr. 112/2014). In: Landtagsprotokoll der Sitzung vom 3. Dezember 2014, 2285.
182 Art 6 Abs 1 der Statuten der jeweiligen Bürgergenossenschaft.
52
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Wortsinn — zu einer Ausschlussgemeinschaft führen. So wurde bereits in der Abstimmungsbroschüre
über die Errichtung der Bürgergenossenschaft Triesen als Gegenargument festgehalten: „Das verbin-
dende Zusammenwachsen unserer Gesellschaft wird durch die Bildung einer Bürgergenossenschaft eher
erschwert. Entgegen allen bisherigen Bestrebungen, unsere Gesellschaft mit Blick auf die zukünftigen
Aufgaben zusammenzuführen, entstünden hier Strukturen, welche wieder eine Gefahr der Aufspaltung
der Bevólkerung in sich tragen kónnen.*'*
Dieser gesellschaftspolitischen Komponente werden sich die Bürgergenossenschaften in Zukunft wohl
noch vermehrt stellen müssen, sofern davon ausgegangen wird, dass die bisherigen Entwicklungen der
Zu- und Binnenwanderung fortdauern. Entsprechend wird es immer weniger Liechtensteinerinnen und
Liechtensteiner geben, die in ihrer Heimatgemeinde leben und - sofern vorhanden — Mitglied der dorti-
gen Bürgergenossenschaft sind. Entsprechend wird auch das verfassungsrechtliche Spannungsverhiltnis
zwischen der Eigentumsgarantie sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz an Bedeutung gewinnen. Laut
BUSSJAGER ist dies vor allem dort verfassungsrechtlich problematisch, wo die Ansprüche der Genos-
senschaftsmitglieder über die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, das historische Substrat der Bür-
gergenossenschaften, hinausgehen, wie etwa bei der Zuweisung von Bauland.*!*
Weiter weist er zudem auf die — offen gelassene — Frage hin, ob eine solche Regelung nicht auch EWR-
rechtlich problematisch sein kónnte in Hinsicht auf das Diskriminierungsverbot gemüss Art 4 EWR-
Abkommen. Auch wenn eine detaillierte Analyse dieser Frage an dieser Stelle den Rahmen sprengen
würde, so sei doch darauf hingewiesen, dass ühnliche historisch gewachsene Organisationsformen auch
in anderen EWR-Mitgliedstaaten existieren und zudem mit der Entflechtung von Bürgergemeinde und
politischer Gemeinde dafür gesorgt wurde, dass nicht mehr alle Einwohner einer politischen Gemeinde
Leistungen an die Bürgergemeinde erbringen, von denen nur die Alteingesessenen Nutzen in Anspruch
nehmen kónnen. Diese bis 1996 bestehende Rechtslage wurde z.B. in den Abstimmungsunterlagen zur
Bürgergenossenschaft Vaduz als Motivation für deren Gründung angeführt, widerspreche dies doch dem
im EWR geltenden Diskriminierungsverbot.!5e
In der Schweizer Bundesverfassung werden in Art 37 Abs 2 Vorschriften über die politischen Rechte in
Bürgergemeinden und Korporationen sowie über die Beteiligung an deren Vermógen ausdrücklich vom
Verbot ausgenommen, jemanden wegen seiner Bürgerrechte zu bevorzugen oder zu benachteiligen. 5?
183 Gemeinde Triesen (Hrsg), Abstimmung Bürgergenossenschaft 33.
184 Bussjiiger, Stellungnahme 19.
155 Bussiüger, Stellungnahme 12.
186 Gemeinde Vaduz (Hrsg), Dokumentation und Information zur Bürgerversammlung 31.
157 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999, SR 101.
53
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Eine solche Bestimmung fehlt in der liechtensteinischen Landesverfassung, welche die Bürgergenos-
senschaften an keiner Stelle erwähnt.'* Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der liechtensteinische
Staatsgerichtshof bereits 1952 in einem Gutachten festgestellt hat, dass die Beschränkung des Bür-
gernutzens auf die alteingesessenen Bürger nicht im Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz der Ver-
fassung stehe. Sie beruhe auf einem sachlich gerechtfertigten Grund, nämlich dem „Schutz des Gemein-
degutes und der Rechte der alteingesessenen Bürger“ und auch in der benachbarten Schweiz und in
Vorarlberg stehe „das Nutzungsrecht am Gemeindeboden nicht allen Gemeindebürgern zu, sondern nur
gewissen Kategorien derselben, obwohl auch in diesen Gebieten der Grundsatz der Gleichheit vor dem
Gesetze verfassungsmässig festgelegt wird.‘“® Dabei muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass der
Vergleich mit der Schweiz nicht unproblematisch ist. Bereits in der damals gültigen Schweizer Bundes-
verfassung war in Art. 43 Abs 4 eine explizite Ausnahme vom Gleichstellungsgrundsatz bezüglich Bür-
gergemeinden und Korporationen enthalten, dem der Staatsgerichtshof keine Beachtung geschenkt
hat.1°
Losgelóst von der verfassungsrechtlichen Frage kann ein Bestreben der Bürgergenossenschaften festge-
stellt werden, sich über den Mitgliederkreis hinaus gesellschaftlich breiter zu legitimieren, indem Mehr-
wert über den eigenen Mitgliederkreis hinaus geschaffen wird.'?' Ansütze dazu finden sich z.B. im Leit-
bild der Bürgergenossenschaft Vaduz, welches neben dem Nutzen für die Mitglieder ausdrücklich vor-
sieht, dass auch der Allgemeinheit ,, Nutzen am Genossenschaftsgut" gewáhrt wird. Dies kann durch
Investitionen in Projekte geschehen, die der Allgemeinheit dienen (Finanzierung von Umweltschutz-
projekten, Baumpflanzungen, Spenden) oder durch Beitráge zur Energiewende wie „Investitionen aus
dem Genossenschaftsgut in Energiegewinnung (z.B. Solaranlagen, Wind- und Holzkraftwerke etc.)“.!°?
Auch die Bestimmung in den Statuten aller Bürgergenossenschaften!?, wonach diese als einen Teil-
zweck zum kulturellen Leben in der Gemeinde beitragen sollen, deutet auf einen solchen Nutzen hin,
der über den eingeschränkten Kreis der eigenen Mitglieder hinausgeht.
Das Bestreben nach breiterer gesellschaftlicher Legitimation kann auch im Zusammenhang mit dem im
Rahmen der Abstimmungen zur Schaffung der Bürgergenossenschaften mehrfach gefallenen Pro-Argu-
ment gesehen werden, dass ein Ja zur Gründung lediglich eine Versuchsphase einläute und künftige
188 Bussjäger, Stellungnahme 19.
189 StGH 15. Juli 1952, ELG 1952, 161 ff, 164. In den Abstimmungsunterlagen zur Bürgergenossenschaft Vaduz wird darauf
verwiesen, sh Gemeinde Vaduz (Hrsg), Dokumentation und Information zur Bürgerversammlung 28.
190 Bundesverfassung der Schweizerischen Fidgenossenschaft vom 29. Mai 1874; sh auch Achermann/von Rütte, in Basler
Kommentar, Bundesverfassung (2015) Art. 37 N 1.
So auch der Vorsitzende der Bürgergenossenschaft Triesen, Emanuel Banzer, anlässlich eines persönlichen Gesprächs am
4. November 2015.
1922 Punkt IV Abs 3 des Leithilds der Bürgergenossenschaft Vaduz vom 23. April 2014, verfügbar unter
www .bgvaduz.l//BGVaduz/Leitbild.aspx (abgefragt am 3. März 2016).
193 Art 2 Abs 2 der Statuten aller fünf Bürgergenossenschaften.
191
54
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Optionen offen lasse. So äusserte sich der Vorsitzende des Regelungsausschusses Bürgergenossenschaft
Vaduz in den Abstimmungsunterlagen wie folgt: „Bleiben die in die Bürgergenossenschaft gehegten
Hoffnungen unerfüllt, könnte sie nach Abwägung aller Argumente jederzeit ihre Auflösung beschliessen
und ihre Vermögenswerte mit denjenigen der politischen Gemeinde vereinigen.**^ Nachdem seit der
Gründung der meisten Bürgergenossenschaften mehr als zehn Jahre verstrichen sind — Vaduz ist dies-
bezüglich eine Ausnahme - scheint es an der Zeit, Bilanz zu ziehen und die Versuchsphase abzuschlies-
sen. So stand anlässlich der Genossenschaftsversammlung der Bürgergenossenschaft Eschen im Jahr
2014 deren Weiterführung offiziell auf der Traktandenliste. Anlässlich der Versammlung wurde
schliesslich festgehalten, dass kein Anderungsbedarf besteht.'55
6.2 Europäische Genossenschaften (SCE)
6.2.1 Ursprung
Unter Europäischen Genossenschaften sind diejenigen Genossenschaften zu verstehen, die in Anwen-
dung der Bestimmungen der Verordnung über die Europüische Genossenschaft" (abgekürzt als SSCE'
bezeichnet, abgeleitet von der lateinischen Bezeichnung ‘Societas Cooperativa Europaea") gegründet
wurden.
Der Erlass dieser Rechtsgrundlagen bildete den Abschluss einer langen Entstehungsgeschichte, die bis
auf die Ursprünge des modernen Genossenschaftswesens in Europa zurückreichen. Dessen Grundlagen
entwickelten sich “in einem lebhaften Austausch der Ideen und auch der juristischen Vorstellungen über
die politischen Grenzen innerhalb Europas hinweg. Beispielsweise die Anschauungen Proudhons aus
Frankreich, die Konzepte Raiffeisens und Schulze-Delitzsch ' aus Deutschland und die frühen Genossen-
schaftsgründungen in England wurden weit über den jeweiligen nationalen Rahmen hinaus diskutiert
und gaben der Entwicklung des Genossenschaftswesens auch in anderen Teilen Europas Impulse.”
Die Idee einer gemeinsamen europäischen Rechtsform der Genossenschaft konnte schliesslich in den
siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts Fuss fassen. Die Spitzenverbände der landwirtschaftlichen Ge-
194 Konrad, Vorsitzender Regelungsausschuss Bürgergenossenschaft Vaduz, in: Gemeinde Vaduz (Hrsg), Dokumentation und
Information zur Bürgerversammlung 5. Ähnlich Banzer, Vorsitzender des Regelungsausschusses der Bürgergenossenschaft
Triesen, in: Gemeinde Triesen (Hrsg), Abstimmung Bürgergenossenschaft 5.
195 Protokoll der 12. ordentlichen Genossenschaftsversammlung vom 16. Juni 2014, einsehbar unter www.eschen.li/Por-
tals/0/Buergergenossenschaft/Protokolle/protokoll-gv-2014.pdf (abgefragt am 7. März 2016).
196 VO (EG) 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europáischen Genossenschaft (SCE), ABl L 2003/207,
1 (SCE-VO).
197 Schulze in Schulze (Hrsg), Europäische Genossenschaft (SCE) - Handbuch (2004) 10.
55
Genossenschaftswesen Liechtenstein
nossenschaften, der Einkaufsgenossenschaften der Lebensmitteleinzelhändler sowie der Konsumgenos-
senschaften präsentierten 1975 einen Vorschlag für ein Statut für eine Europäische Genossenschaft. !°8
Dies löste einen Prozess aus, der schliesslich über mehrere weitere Entwürfe aus verschiedenen Ecken
des Genossenschaftswesens zur SCE-Verordnung der Europäischen Union führte.
6.2.2 Überblick über die rechtlichen Grundlagen
Das Wesen der Europäischen Genossenschaften (SCE) zeichnet sich dadurch aus, dass Mitgliederzahl
und Grundkapital veränderlich sind und der Hauptzweck in der Bedarfsdeckung oder Förderung wirt-
schaftlicher oder sozialer Tätigkeiten der Genossenschafter liegt. Eine SCE besitzt Rechtspersönlichkeit
und die Gründung erfolgt durch mindestens fünf natürliche oder juristische Personen mit (Wohn-)Sitz
in mindestens zwei Mitgliedstaaten.?? Damit soll den Genossenschaften ein grenzüberschreitendes Tà-
tigwerden im Europüischen Wirtschaftsraum erleichtert werden .?!
Ergánzt wurde die SCE-Verordnung durch eine Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer in
einer SCE.?? Die Verordnung trat am 18. August 2006 in Kraft, zeitgleich mit dem Ablauf der Umset-
zungsfrist der Richtlinie.
Auf Grundlage der Mitgliedschaft Liechtensteins beim Abkommen über den Europüischen Wirtschafts-
raum (EWRY?,, welches in Anhang 22 auch das Gesellschaftsrecht mitumfasst, wurde die SCE-Verord-
nung mit Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom Frühjahr 2004?* in das EWR-Abkom-
men übernommen. Diese Übernahme trat am 1. Januar 2005 in Kraft, nachdem der Landtag dem oben
angeführten Übernahmebeschluss zugestimmt hatte.?5 Die Übernahme der ergänzenden Richtlinie über
die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer SCE trat aufgrund Verzögerungen im Übernahmeprozess erst
per 1. Februar 2006 in Kraft.?%
198 Schulze Europäische Genossenschaft 11.
199 Ausführlich dazu Schulze Europäische Genossenschaft 10 ff.
200 Art 1 und 2 der SCE-VO.
201 Sh Erwägungsgrund 12 der SCE-VO.
?? RL 2003/72/EG des Rates vom 22. Juli 2003 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Genossenschaft hinsichtlich der
Beteiligung der Arbeitnehmer, ABI L 2003/207, 25.
203 LGBI 1995/68.
204 Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses 15/2004 vom 6. Februar 2004 und 44/2004 vom 23. April 2004.
205 1 GBI 2004/248, basierend auf BuA Nr 60/2004.
?06 | GB] 2006/10, ebenfalls basierend auf BuA Nr 60/2004 sowie auf Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses 44/2004
vom 23. April 2004.
56
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Da die SCE-Verordnung die Europäische Genossenschaft nicht abschliessend regelt, sondern vielmehr
immer wieder auf nationales Genossenschaftsrecht verweist sowie zahlreiche Ermächtigungen?” und
Verpflichtungen an die Mitgliedstaaten beinhaltet, die einer nationalen Antwort bedürfen, mussten ent-
sprechende nationale Ausführungsbestimmungen erlassen werden. Diese Anpassung des nationalen
Rechts erfolgte mit den beiden Gesetzen vom 22. Juni 2007 über das Statut der Europäischen Genos-
senschaft (SCE-Gesetz)?*® sowie über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Genossen-
schaft (SCE-Beteiligungsgesetz).?? Diese erlangten am 1. September 2007 Geltung. Zudem hat das
liechtensteinische Handelsregister ein Merkblatt erstellt, in welchem einige praktische Aspekte einer
Neueintragung einer Europäischen Genossenschaft mit Sitz in Liechtenstein geregelt werden. ?'?
Angesichts der Hierarchie der verschiedenen Normen stellt Art 2 des SCE-Gesetzes klar, dass auf eine
Europáische Genossenschaft mit Sitz in Liechtenstein zuerst die SCE-Verordnung anzuwenden ist, „er-
gánzend die Bestimmungen dieses Gesetzes". Soweit diese beiden Rechtsquellen keine Regelung ent-
halten, wird subsidiár auf die Vorschriften des PGR verwiesen — wie dies bereits bei der Bürgergenos-
senschaft der Fall war. Diesbezüglich hat die liechtensteinische Regierung in ihrem Bericht und Antrag
zur Anpassung der nationalen Rechtslage den Aspekt herausgestrichen, dass "die Einführung der SCE
europaweit zur Entstehung eines umfassenden Wettbewerbs zwischen verschiedenen Rechtsformen so-
wie Gesellschaftsrechtssystemen und damit auch Standorten" führt?! Dies umso mehr, als Europüische
Genossenschaften gemäss dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung den nationalen gleichgestellt wer-
den müssen.?!?
6.2.3 Bestandsaufnahme und Bedeutung in Liechtenstein
Derzeit sind fünf SCE im Liechtensteiner Handelsregister eingetragen, zwei weitere befinden sich in
Gründung.?!® Diese Zahl mag in ihrem absoluten Wert klein erscheinen, in Relation zur Wohnbevölke-
rung gesehen ist sie jedoch nicht unbeträchtlich, vor allem auch im europaweiten Vergleich.
207 Als Beispiel sei auf Art 5 SCE-Gesetz verwiesen, wonach das Kapital einer Europäischen Genossenschaft mit Sitz in Liech-
tenstein auf Franken, Euro oder US-Dollar lauten kann. Dies analog zur Regelung in Art 122 Abs 1a PGR für nationale
Genossenschaften, wozu die SCE-VO in Art 3 Abs 1 und Art 4 Abs 1 iVm Art 77 Abs 1 ausdrücklich ermächtigt.
?08 | GB] 2007/229, basierend auf BuA Nr 30/2007.
?09 | GBI 2007/230, basierend auf BuA Nr 30/2007.
21? Merkblatt zur Neueintragung einer Europáischen Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea, SCE) mit Sitz in Liech-
tenstein, www.llv.li/files/avw/pdf-llv-aju-hr-merkblatt zur neueintragung einer europaeischen genossenschaft.pdf (abge-
fragt am 21. Februar 2016).
?!! BuA Nr 30/2007, 13.
212 Art 9 SCE-VO.
213 Persönliche Gespräche des Autors mit den Gründern im März 2016.
57
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Anfangs 2012 publizierte die EU-Kommission einen Bericht über die Erfahrungen mit den neuen SCE-
Vorschriften. ?*4 Demzufolge waren im November 2011 24 SCE in den Handelsregistern der 30
EU/EWR-Mitgliedstaaten eingetragen (fünf in Italien, sieben in der Slowakei, drei in Ungarn, je zwei
in Deutschland und in Belgien, je eine in Frankreich, Liechtenstein, den Niederlanden, Spanien und
Schweden).?5 Aktuellere Zahlen, welche die Entwicklung der Eintragungen von SCE im gesamten
EWR-Raum seit November 2011 illustrieren würden, liegen leider nicht vor. Es kann jedoch davon
ausgegangen werden, dass mit wachsender Bekanntheit der Rechtsform weitere SCE eingetragen wur-
den. Nur schon in Deutschland ist die Anzahl SCE von zwei im November 2011 auf zehn im April 2016
gestiegen.?!6
Bereits im Bericht und Antrag zur Übernahme der SCE-Verordnung in den EWR hat die Regierung die
Erwartung geäussert, dass sich “die praktische Bedeutung dieser neuen Rechtsform für diese nationalen
Genossenschaften in Grenzen halten?" wird. Dies liegt sicherlich am zumeist national ausgerichteten
Tätigkeitsfeld der bestehenden Genossenschaften, denen das für eine SCE charakteristische grenzüber-
schreitende Element fehlt. Die Rechtsform der SCE dürfte folglich in den meisten Fällen keine Konkur-
renz zu bestehenden nationalen Genossenschaftsformen, sondern vielmehr eine zusätzliche Gestaltungs-
möglichkeit für grenzüberschreitende Tätigkeiten darstellen.
Folgende fünf Europäische Genossenschaften (SCE) sind per Stand vom 10. April 2016 im Liechten-
steiner Handelsregister eingetragen, gereiht nach dem Datum ihrer Eintragung im Handelsregister:
- ALTINA Global Network SCE (24. Februar 2010)
- FAMILY OF POWER OF FAMILY SCE mit beschränkter Haftung (14. Februar 2013)
- REALE WERTE WOHNEN SCE (21. März 2014)
- World of Packaging SCE (7. Juli 2015)
- adamas Europüische Genossenschaft für Immobilienrendite SCE mit beschrünkter Haftung (3.
September 2015)
214 Bericht der Kommission an das Europáische Parlament, den Rat, den Europiüischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und
den Ausschuss der Regionen, Die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das
Statut der Europáischen Genossenschaft (SCE), COM(2012) 72 final.
Grundlage für diesen Bericht ist eine externe Studie mit Länderberichten: Study on the implementation of the Regulation
1435/2003 on the Statute for European Cooperative Society (SCE), http://bookshop.europa.eu/en/study-on-the-implementa-
tion-of-the-regulation-1435-2003-on-the-statute-for-european-cooperative-society-pbNB0414182/ (abgefragt am 20. Feb-
ruar 2016).
215 Bericht der Kommission an das Europáische Parlament, den Rat, den Europiüischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und
den Ausschuss der Regionen, Die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das
Statut der Europáischen Genossenschaft (SCE), COM(2012) 72 final, S. 15.
216 Online-Abfrage auf www.handelsregister.de (abgefragt am 18. April 2016).
217 BuA Nr 60/2004, 8.
58
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Es fällt auf, dass nur zwei der fünf Europäischen Genossenschaften mit Sitz in Liechtenstein den Zusatz
„mit beschränkter Haftung“ in der Firma führen. Gemäss Art 1 Abs 2 Unterabs 3 der SCE-VO wird der
Firma dieser Zusatz angefügt, sofern für die Mitglieder einer SCE eine beschränkte Haftung festgesetzt
wurde. Folglich gilt bei den drei anderen SCEs eine unbeschränkte Haftung der Mitglieder.
59
Genossenschaftswesen Liechtenstein
7 Vergleich der Genossenschaften gemäss PGR, BüGG und SCE-VO
Zur Ergänzung und zum Abschluss dieses Überblicks über die rechtliche Ausgestaltung des Genossen-
schaftswesens in Liechtenstein soll anhand einiger gesellschaftsrechtlicher Grundthemen schlagwortar-
tig versucht werden, die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen den drei rechtlichen Genos-
senschaftsregelungen des liechtensteinischen Rechts herauszubilden.
Juristische Persönlichkeit: Diesbezüglich gibt es keine Unterschiede, alle drei Genossenschaftsformen
verfügen über die Juristische Persönlichkeit. Als somit selbständiges Rechtssubjekt sind sie von ihren
jeweiligen Mitgliedern unabhängig und im Rechtverkehr rechts- und handlungsfähig.
Mindestkapital: Nur eine SCE muss über ein Mindestkapital in Hôhe von CHF, EUR oder USD 30°000
verfügen. ?!® Für Genossenschaften nach den Bestimmungen des PGR ist kein Mindestkapital
vorgesehen, auch bei Bürgergenossenschaften nicht.
Registerpublizität: Eine Eintragungspflicht im Handelsregister besteht für PGR-Genossenschaften je
nach Ausgestaltung (eintragungspflichtig oder nicht eintragungspflichtig). Bürgergenossenschaften und
Europäische Genossenschaften sind in jedem Fall im Handelsregister einzutragen. Die Eintragung einer
SCE sowie die Löschung einer solchen werden neben der nationalen Veröffentlichung auch im Amts-
blatt der Europäischen Union publiziert??? Allen anderen Genossenschaftsformen steht eine solche Pub-
lizitütsplattform mit internationaler Ausstrahlung nicht zur Verfügung.
Mindestanzahl Gründungsmitglieder: Für die Gründung einer SCE sind mindestens fünf natürliche oder
juristische Personen mit (Wohn)Sitz in mindestens zwei Mitgliedstaaten nótig.? Für PGR-Genossen-
schaften hingegen gibt es keine gesetzlich normierte Mindestanzahl Genossenschafter.?' Die Legalde-
finition der Genossenschaft in Art 428 Abs 1 PGR geht jedoch implizit von mindestens zwei Grün-
dungspersonen aus, spricht sie doch von „Personen“ in Mehrzahl und postuliert den Hauptzweck der
gemeinsamen Selbsthilfe, was logischerweise eine Mehrzahl von Personen voraussetzt.?? Für Bürger-
genossenschaften ist ebenfalls keine Mindestanzahl Genossenschafter vorgesehen, wobei in diesen Fil-
len durch die historische Herkunft implizit von einer Mehrzahl von Genossenschaftern ausgegangen
wurde.
718 Art 3 Abs 4 SCE-VO iVm Art 5 SCE-Gesetz.
219 Art 13 SCE-VO iVm Art 7 SCE-Gesetz.
220 Art 1 und 2 der SCE-VO. In diesem Zusammenhang ist der liberale Ansatz in Art 8 des SCE-Gesetzes bemerkenswert,
wonach sich auch bestimmte Gesellschaften an der Gründung beteiligen können, deren Hauptverwaltung ausserhalb des
EWR liegt, beispielsweise in der Schweiz.
221 Anders Art 831 Abs 1 OR, wonach bei der Gründung einer Schweizer Genossenschaft mindestens sieben Mitglieder betei-
ligt sein müssen.
22 7u gleichem Schluss kommt Marxer, Lünderbericht Liechtenstein 725, sowie Frick/Thiede, Unternehmensführung 31.
60
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Mitgliedschaft: Entsprechend dem Prinzip der offenen Tür können gemäss Art 438 Abs 1 PGR in eine
bestehende eingetragene Genossenschaft jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden. Statutarische
Beschränkungen sind möglich. Gleiches gilt auch für Europäische Genossenschaften. Für kleine
Genossenschaften sieht Art 485 Abs 1 PGR ausdrücklich die Möglichkeit vor, die Mitgliedschaft in den
Statuten als vererblich vorzusehen. Dies ist gestützt auf das historische Erbe insbesondere bei den
Alpgenossenschaften bis heute noch verbreitet der Fall, womit nicht mehr von einer offenen Tür
gesprochen werden kann. Dies gilt auch für die Bürgergenossenschaften, bei denen die Mitgliedschaft
gemäss Art 3 Abs 2 BüGG an eine Abstammung von oder Heirat mit einem Mitglied sowie die
Liechtensteiner Staatsbürgerschaft geknüpft ist. Abs 3 der gleichen Bestimmung enthält weiter eine
Öffnungsklausel, die es den einzelnen Bürgergenossenschaften freistellt, darüber hinaus auch weitere
Liechtensteiner Staatsbürger aufzunehmen, sofern sie keiner anderen Bürgergenossenschaft angehören.
Davon haben nur zwei Bürgergenossenschaften Gebrauch gemacht.
Haftung: Für die Verbindlichkeiten der PGR-Genossenschaften haftet das Genossenschaftsvermögen in
der Regel ausschliesslich. ?? Mittels statutarischer Regelung kann die Haftung auch auf die
Genossenschafter ausgedehnt werden, beschränkt oder unbeschränkt (Solidargenossenschaft). Auch
differenzierte Regelungen für verschiedene Gruppen von Genossenschaftern sind. móglich. ?^ Bei
Bürgergenossenschaften haften die Mitglieder in jedem Fall für ein allfälliges Defizit, „im Verhältnis
ihres Anteils an der Nutzung“. ?5 Bei Europäischen Genossenschaften haftet ein Mitglied ohne
anderslautende statutarische Regelung im Umfang des eingezahlten Geschäftsanteils. Im Fall einer
solchen beschränkten Haftung ist der Firma der Genossenschaft der Zusatz „mit beschränkter Haftung“
anzufügen.
Organisation: Das PGR schreibt hinsichtlich der Organisation von eingetragenen Genossenschaften drei
Organe zwingend vor, nämlich die Generalversammlung, die Verwaltung sowie die Revisionsstelle.
Gleiches gilt gemäss Art 8 BüGG auch für die Bürgergenossenschaften, wobei die Organe als
Genossenschaftsversammlung, | Genossenschaftsvorstand sowie Rechnungsrevisoren bezeichnet
werden. Auch Europäische Genossenschaften verfügen grundsätzlich über eine dreigliedrige
Organisation, wobei die Verwaltung entweder durch ein einziges Verwaltungsorgan (monistisches
System) oder nach dem dualistischen System durch ein Aufsichts- und ein Leitungsorgan
wahrgenommen werden kann. ?* Durch diese Wahlmóglichkeit wird den unterschiedlichen
Rechtstraditionen der EU-Mitgliedstaaten Rechnung getragen. Liechtenstein lásst beide Móglichkeiten
223 Art 459 Abs 1 PGR.
224 Art 459 Abs 3 PGR.
25 Art 7 BüGG.
226 Art 36 ff SCE-VO.
61
Genossenschaftswesen Liechtenstein
zu.?” Bei den kleinen Genossenschaften hingegen sind nur zwei Organe zwingend vorgesehen, nämlich
die Genossenschaftsversammlung als oberstes Organ gemäss Art 490 PGR sowie der Vorstand gemäss
Art 49] PGR. Eine Revisionsstelle kann gemäss Art 491 Abs 2 PGR statutarisch vorgesehen werden.
Arbeitnehmerbeteiligung: Ein Spezifikum der Europäischen Genossenschaften ist die Verpflichtung,
die Beteiligung der Arbeitnehmer gemäss den Vorgaben des SCE-Beteiligungsgesetzes zu regeln.?® Für
die beiden anderen Genossenschaftsformen gibt es keine entsprechenden rechtsformspezifischen
Vorgaben.
227 Art 15 ff SCE-Gesetz.
228 Art 22 SCE-Beteiligungsgesetz.
62
Genossenschaftswesen Liechtenstein
8 Schlussbetrachtungen
Dieser Überblick über die rechtliche Ausgestaltung des Genossenschaftswesens in Liechtenstein zeigt
die Vielfalt der unterschiedlichen Genossenschaftsformen auf drei verschiedenen gesetzlichen Grund-
lagen auf.
Während Genossenschaften in Liechtenstein bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts für viele Einwoh-
ner existenzielle Bedeutung hatten, ist dies heute meistens nicht mehr der Fall. Trotzdem ist das Genos-
senschaftswesen weiterhin sehr verbreitet und im Alltag präsent, wie sich nur schon am bedeutenden
Anteil von 42,6 % der Landesfläche ablesen lässt, der sich weiterhin im Eigentum von Genossenschaften
befindet. Zudem hat mit der Schaffung der ersten Wohnbaugenossenschaft in Liechtenstein vor zwei
Jahren das Genossenschaftswesen im Kontext der beschränkten Landesfläche eine neue Facette erhalten.
Es ist davon auszugehen, dass diese das Bild des Genossenschaftswesens in Liechtenstein über die
nächsten Jahre massgeblich beeinflussen wird.
Die Bürgergenossenschaften befinden sich am Schluss der ersten Jahre des Aufbaus und der Konsoli-
dierung. Sie werden sich in den nächsten Jahren verstärkt einer Bewährungsprobe stellen und ihre Le-
gitimität beweisen müssen. Eine mögliche Antwort besteht darin, dass sich die Bürgergenossenschaften
vermehrt für neue Mitglieder öffnen und gewisse Nutzungen auch Nichtmitgliedern gestatten, um die
gesellschaftliche Akzeptanz abzusichern und zu verbreitern.
Die Europäischen Genossenschaften (SCE) sind in Liechtenstein proportional stark vertreten. Es ist vor-
stellbar, dass dank der kurzen Wege und weiterer Standortvorteile im internationalen Gesellschaftswe-
sen mit steigendem Bekanntheitsgrad der Rechtsform noch mehr Europäische Genossenschaften in
Liechtenstein gegründet werden.
Die gesetzgebenden Akteure seien abschliessend daran erinnert, dass die Regelung des privatrechtlichen
Genossenschaftswesens im PGR nicht direkt von derjenigen im Schweizer OR inspiriert ist. Vorlage
war vielmehr ein Entwurf dazu aus dem Jahr 1919, der in der Schweiz noch massgeblich überarbeitet
wurde. Entsprechend wird eine unreflektierte Übernahme heutiger Regelungen des OR ins PGR der
spezifisch liechtensteinischen Ausgestaltung des Genossenschaftsrechts nicht gerecht und kann zu Un-
stimmigkeiten führen. Darauf sollte bei Anpassungen der Regelung im PGR verstärkt Bedacht genom-
men werden.
63
Genossenschaftswesen Liechtenstein
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Genossenschaftswesen Liechtenstein
Anhang 1: Das Genossenschaftsrecht im PGR (Version 2016) im Vergleich”?
OR PGR- OR-
PGR-Titel PGR | Abs. (2016) Entwurf Entwurf 1919
Die Genossenschaft
A. Im Allgemeinen 428 1] + |828/1 = 1794/1 = |794/1
2 + |794/2 vgl | 795
3 = |795/2
4| + |828/2
B. Entstehung
I. Im Allgemeinen 429 = 1830 = |796 = |796
II. Inhalt der Statuten
1. Gesetzlich notwendiger Inhalt | 430 1| + [832 = |797 = |797
2
2. Gegebenenfalls aufzuneh-
mende Bestimmungen 430a = |833
III. Konstituierende Generalver-
sammlung 431 = 1834 = |797a
IV. Eintragung ins Handelsregis-
ter
1. Anmeldung 432 1 z 1798/1
2 vgl | 798/2
3 = | 798/3
2. Eintragung und Veröffentli-
chung 433 1 + [798
2
3
V. Sacheinlagen und weitere
Leistungen von Genossenschaf-
tern 434 1 + |799 + 1799
2
3
VI. Schutz wohlerworbener
Rechte 435 = |801 = |801
C. Mitgliedschaft
I. Erwerb
1. Im Allgemeinen 436 1 + [802 + [802
2
2. Vor und nach der Eintragung 437 1 + |803/1 + |803/1
2 t 1803/2 + [803/72
3. Aufnahme neuer Mitglieder 438 1| vgl 1839/1 = 1804/1 = |804/1
229 Legende: ident (bis auf unbedeutende sprachliche Abweichungen)
inhaltlich ähnlich oder gleich, allenfalls anders formuliert
inhaltlich ähnlich, mit bedeutenden inhaltlichen Abweichungen
vel gleiche Materie, aber anders geregelt
Bo og
68
Genossenschaftswesen Liechtenstein
OR PGR- OR-
PGR-Titel PGR | Abs. (2016) Entwurf Entwurf 1919
2 + | 804/2
3 = | 804/3 = 1804/2
4 = | 804/4
II. Verlust
1. Austritt
a) Freier Austritt 439 1| = |842/1 + |805/1 + |805/1
21 + |842/3 = | 805/2 = 1805/2
3| vgl |842/2 vgl; 805a
4
b) Bei Genossenschaften mit
dauernden Anlagen und Vertrá-
gen 440 1 + 1805a
2
C) Verzicht auf den Austritt 441 1| = |843/1 = |806/1 = |806/1
2| + 1843/2 = |806/2 = 1806/2
3] + 18432 + | 806/3
d) Kiindigung 442 1| = |844 + | 806/4 = 1806/3
2 + |806/5
3] = [845
4| vgl | 846
5
2. Ausschliessung von Mitglie-
dern 443 1j + |846/1+2 | = |807/1 = |807/1
2| + |846/3 + |807/2 = |807/2
3
4
5] = |846/4 + |807/3
3. Kündigung durch einen Gläu-
biger oder die Konkursverwal-
tung 444 1 + | 807/4
2 + | 807/5
3
4
4. Tod beziehungsweise Dahin-
fallen eines Genossenschafters 445 1| + |847/ = |808/1 = |808/1
2| t |847/2 + |808/2 + |808/2
3| + |847/3 = |808/3
4| + |847/4 = |808/4 = | 808/3
5 + |808/5 808/4
6
5. Ubertragung der Mitglied-
schaft
a) Im Allgemeinen 446 1| vgl 1849/1 z 1809/1 z 1809/1
2| vgl |849/1 = |809/2 = |809/2
69
Genossenschaftswesen Liechtenstein
OR PGR- OR-
PGR-Titel PGR | Abs. (2016) Entwurf Entwurf 1919
b) Bei Anteilscheinen 447 1| = |852/1 + [810/1423 | = |810/1
2| vgl | 853 z 1810/2 z 1810/2
5 z 1810/3
6. Wegfall
a) Bei einer Anstellung 448 + [848 + [811 + [811
b) Anderer Voraussetzungen 449 1] = |850/1 = 1812/1 + [812/1
2 812/2
3| + 8502 = 1812/3 = |812/2
41 = |850/3 + 1812/4 vgl | 812/3
5
6| = [851 = |812/5
7. Mit der Genossenschaft ver-
bundene Nichtmitglieder 450 1 = [813 = |813
2 = 1813/2
3 + 1813/3
III. Rechte und Pflichten der Ge-
nossenschafter
1. Im Allgemeinen 451 1| + 1854 = [813a/l
2 = |813a/2
3| x [855 z 1813a/3
4| = |856
5| = |866 + |813a/4
2. Gewinnanspruch 452 1] + 1859/1 = |815/1 = |815/1
2| = 1859/2 - 1815/2 = |815/2
3| vgl |859/3 = 1815/3 = 1815/3
3. Reservefonds und andere An-
lagen 453 1| = |862/1 + |816/1 + |816/1
2| + |863/2 816/2 816/2
3| vgl |860/1 = [817 = [817
4. Abfindungsanspruch
a) Nach den Statuten 454 1| = |864/1 + |818/1 + |818/1
2| = 1864/2
3| vgl |864/3
b) Nach Gesetz 455 1| = |865/1 + |818a/1 + |818/2
2 + |818a/2
3| + |865/2 + 818b = |818/3
c) Verjährung 456 1] + 1864/4
2
5. Pflicht zu Beiträgen und Leis-
tungen
a) Im Allgemeinen 457 1| = 1867/
2| + |853/1 = | 814 = [814
3| £ [853/22
4
70
Genossenschaftswesen Liechtenstein
OR PGR- OR-
PGR-Titel PGR | Abs. (2016) Entwurf Entwurf 1919
b) Einzahlung 458 1] + |867/2 + |819/1 + |819/1
21 + |867/3 + 1819/2 + 1819/2
3
6. Haftung der Genossenschaft
und der Genossenschafter
a) Im Allgemeinen 459 1] = |868 + [820/143 | + |820/1+3
2 t 1820/2 t 1820/2
3
4
5
b) Haftung der Genossenschaft
ohne Haftung der Genossen-
schafter 460 + |868 + [820/143 | + 1820/1+3
c) Unbeschränkte Haftung der
Genossenschafter 461 1| + 1869/1 = 1821/1 = |821/1
21 + |869/2 + [82172 + [821/72
3
4 z 1821/3
5
d) Beschrünkte Haftung der Ge-
nossenschafter 462 1| x 1870/1 z 1822/1 z 1822/1
2 t 1822/2 t 1822/2
3
e) Nachschusspflicht (De-
ckungspflicht) 463 1] = [871/222 | € 18231 + 18231
2
3| = |871/4 = |823/2 = |823/2
4| + |871/3 + |823/3 = |823/3
5| + 18711
f) Änderung der Haftungs- und
Nachschussbestimmungen
aa) Im Allgemeinen 464 1| + [874/143 | € 1824/1 + 1824/1
2 = 1824/2 t 1824/2
3 = 1824/3
4| - |874/4 + 1824/4 + 1824/3
5 = | 824/5
bb) Bei mehreren Anteilen 465 1
2
g) Haftung neueintretender Ge-
nossenschafter 466 1| + |875/1 = |825/1 = |825/1
2| = |875/2 = 1825/2 = 1825/2
3
h) Haftung nach Ausscheiden ei-
nes Genossenschafters oder Auf-
lósung der Genossenschaft 467 1| = 1876/1 + 1826/1 + 1826/1
71
Genossenschaftswesen Liechtenstein
OR PGR- OR-
PGR-Titel PGR | Abs. (2016) Entwurf Entwurf 1919
21 = |876/2 = 1826/2 z 1826/2
3| x |876/3 = 1826/3 - 1826/3
4
5
6
1) Anmeldung zur Genossen-
schafterliste
aa) Im Allgemeinen 468 11 = 1877/1 + |827/1 + [827/1
21 t [8772 t 1827/3 t 1827/3
3
4
bb) Ausnahmen 469 1
2
k) Verjährung 470 1| vgl 1878/1 t 1828/1 + 1828
2 z 1828/2
D. Organisation
I. Generalversammlung
1. Befugnisse 471 1| vgl 1879/1 = 1829a/1 |vgl|829/1
2| vgl 1879/2 t 1829a/2
3 + |829a/3
2. Einberufung
a) Recht und Pflicht 472 1] = |881/1 = |830/1 = |830/1
2| - |881/2 830/2 - 18302
3| = [8813 + |830/3 + |830/3
b) Form 472a 1| = |882/1
21 + |882/2
c) Verhandlungsgegenstände 472b 11 = 18831
21 = |883/2
3 883/3
d) Universalversammlung 472c + 1884
3. Stimmrecht 473 1| vgl | 885 = |832a/1
21 = 1886/1 = | 832a/2
3 (1.
Satz)| = 887
3 (2.
Satz)
888/1
4. Beschlussfassung 473a 1] = |(1.Satz)
888/2
21 = |(1. Satz)
3| - [889
4| + 889/243
II. Verwaltung
1. Im Allgemeinen 474 1] = 1894/1 = 1834/2 vgl | 834
21 + 1898/1 t 1835/3 vgl | 835/2
72
Genossenschaftswesen Liechtenstein
OR PGR- OR-
PGR-Titel PGR | Abs. (2016) Entwurf Entwurf 1919
3 = |835/4 = | 835/3
2. Pflichten der Verwaltung 475 vgl [902 + [836
3. Bilanz 476 2 - 1837/2 = |837/2
III. Revisionsstelle
1. Im Allgemeinen AT] 1| vgl [9064907| x 1838/1 z 1838/1
2 z 1839/1 = [839
3 - 1839/2
2. Gesamtverbünde von Genos-
senschaften 478 1| vgl |921ff = |840/1 = |840/1
2| vgl |921 ff = 1840/3 = |840/3
3| vgl |921 ff = | 840/4
E. Verwendung des Vermögens
einer liquidierten Genossen-
schaft
I. Im Allgemeinen 479 1| vgl 1913 t 1841/1
2| vgl |913 t 1841/2
3| vgl |913
II. Erleichterung und Erschwe-
rung der Statutenänderung 480 1 + [841a/l
2 ~ |841a/2
III. Verwaltung des Zweckver-
mógens 481 1 = |841b/1
2 = |841b/2
3
F. Umwandlung und Fusion 482 1
2
3
G. Kleine Genossenschaften
I. Im Allgemeinen 483 1 + 1842a/l
2
3
II. Entstehung 484 1 + |842b/1
4
III. Mitgliedschaft
1. Im Allgemeinen 485 1 = |842c/1
2
3 t 1842c/2
4 + |842c/3
5
6
2. Überwinterungsgrundsatz 486 1 + |842c/4
2
3
3. Anteilsrechte (Tesslen)
73
PGR- Titel
a) Im meinen 487
c) Verfü beschränkungen
IV. anisation
1. Genossenschaftsversammlu
2. Vorstand und Revisionsstelle
V. Auflösu
V]. Nutzungsgenossenschaften
kraft Gesetzes
1. Im meinen
2. Viehauftrieb
VII. Vorbehalt
PGR | Abs.
DO [= |W [DN I JU IS | IN |
1
2
3
4
5
1
2
1
2
3
4
DO |= [WD [= | | [=
H+ [H+ [I+
Genossenschaftswesen Liechtenstein
PGR- OR-
Entwurf Entwurf 1919
842d/1
842d/2
842d/3
842d/4
842d/5
842f/1
842f/2
842g/1
842g/4
842h/1
842h/3
842h/4
841k
8421
842m/1
842m/2
842n/1
842n/2
842n/3
842n/4
74
Genossenschaftswesen Liechtenstein
Anhang 2: Entwurf der Genossenschaftsbestimmungen im PGR (Nachlass Wilhelm
Beck)?
230 Kopie eines Entwurfs der Genossenschaftsbestimmungen im PGR (undatiert), aus dem Nachlass von Wilhelm Beck, Ak-
tenbündel "PGR-Materialien", Privatarchiv Rupert Quaderer-Vogt. Der Autor dankt Rupert Quaderer-V ogt für die Einsicht-
nahme in den Nachlass und die Genehmigung zur Veróffentlichung.
75
Genossenschaftswesen Liechtenstein
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2 à ES un MES già I i vum ENT Ü En
P Vierter Abschnitt. we E. a
b | Die Genossenschaft, p m / M ve Poo J : |
| . Als Genossenschaft des bligationenrechts kónnen sik a. pne desiit WR + = p x uq M © NS AS
Personen oder Firmen, die zujeiner Körperschaft verbunden SE een Wi | 8 4 ; Som uo !
Handelsregister eintragen lassen, wenn sie einen
sind, in das X i
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gemeinsamen wirtschaftlichen‘ Zweck Reel 8 ; = Cp,
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Verbünde mit nieht wirtsofafüiehem Zweck stehen,
auch wenn sie für diesen Zweck wirtschaftlich tätig sind, :
unter den Vorschriften über/die Vereine. 2 (?
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< 1-41 4° NT «eines: schriftlich
795. Avnet ;
Personenverbände mit ...Béliossen- Lr der die Statuten de
tehen unter dem öffentlichen Recht Ef 1
Kantone, p Yio mo. (schriftlich abgofas
B. Genossenschaften Öffentlichrechtlich
25 Cs schaftlichen Zwecke:
nalen Rechts. des Bundes und d
Allmendgengésenschaften und-Ahnliche Körperschaften 5 ~
verbleiben unte/ dem Montoridlen Recht. i : ; E ~ [Bs der konstituiere
| ^ 196 (679). |. T M --? tuten angenommen ui
\
HO
Mie AU rechts-bedarf-es-eines mit öffentlicher Beurkundung abge- | oder. jptett re erene gi
—sliloss len Gesellschafts ertrages, der die Statuten der |
Genoséenschaft enthäït.
. Die Entstehung. „Zur“ atstehung der ae des Obligationen- |
t EN Genossenschaft und
797 (680). A . ie Anmeldung de
Il. Der Inhalt der Die Statuten haben Fo Pw ESTG auf- .
Statuten. vut. mm pr” $ (pud. À "d e die Verwaltung Apa ;
HE ends Si ad—alfalliger ep. SP AN a
Purse ripe at Crag filly ren dd
L ar le 2: Gegenstand der Genossenschaft, N dt. ds
3. die Bedingungen des Ein- und Austrittes der Ge- dex EN > Me MA. Nal
nossensehafter, Yale Lo CMS 5
4. die Art und Grösse der von ihnen zu leistenden } i
Beitrüge, oder dass keine solchen zu leisten seien, NAT
. die Organisation der Genossenschaft, die Organe für
die Verwaltung, und die Art der Ausübung der Ver-
iretung, und für die Kontrolle,
6. die Berechnung und Verteilung des Gowinnes| wenn
ein solcher beabsichtigt wird,
7. die Form, in der die von der Genossenschaft aus-
gehenden Bekanntmachungen (erfolgen,
S. allfällige Bestimmungen über die Haftung oder die
Nachschusspflicht der Genossenschafter. re x N N 4 ! i
oc
Te m A BLZ
{ : Art. 797-8."
: Et, i
III. ‘Konstituiszen - FaYM die Statuten nicht von sämtlichen Grüngern Ji
- de Generalver- rd
sammlung; { Initianten) unterzeichnet werden, berufen diene ‘eine o 7
S | D
konstituierende General versammlung ein, ‘an welcher. Mal
= —— U
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Genossenschaltsv
persönlich
89
e. Ánderung der
Haftungs-
bestimmungen.
fione
f. Haftung neu
eintretender
Genossenschafter.
s Haftungnach Aus-
scheiden eines Ge-
nossenschafters
$e Auflösung
She
JE:
88
anteile oder, wo solche nicht vorliegen, nach Köpfen, im
übrigen unter Anwendung der Vorschriften über die Ein-
forderung der Genossenschaflsbeitrüge.
824.
Anderungen an den Haftungs- oder Nachschussverpflich-
tungen der Genossenschafter können, wenn sie die Haftung
oder die Nachschusspflicht vermindern, nur auf dem Wege
der Statutenrevision vorgenommen werden und wirken, wenn
sie die Haftung oder die Nachschüsse beschränken, nur mit
Hinsicht auf die nach der Veröffentlichung entstandenen
Schnlden,
Eine Neubegründung oder Vermehrung der Haftung
der der Nachschusspflicht kann überdies nur unter Zustim
mg gie ftlicher. Genossensehafter arfalgen.
sis ommt mit der Eintragung des Beschlusses sofort
alleu Gláubigern zugute.
825 (690).
"Wer in eine Genossonsehaft eintritt, für deren Ver-
bindlichkeiten die Genosseuschafter persónlich einstehen
müssen, oder bei der eine Nachschusspflicht besteht, haftet
gleich den andern auch für die vor seinem Eintritte ent-
standenen Schulden.
Dritten dlíne-AVirkurig.
Fing | puigsgtustehonde EPR BAPE
826 (691, 692).
Wenn ein beschränkt oder unbeschränkt persönlich
haftbarer Genossenschafter durch Tod oder in anderer Weise
ausscheidet, so dauert die Haftbarkeit für die vor seinem
Ausscheid d Verbi fort, sofern die
Genossenschaft innerhalb eines Jahres oder einer stätutarisch
festgesetzten längern Frist seit der Eintragung des Aus-
scheidens in das Handelsregister in Konkurs gerät.
ee’
Genossenschaftswesen Liechtenstein
/ oder Vermehrung der Haftung! oder-üer Nachschusspflicht nich
zugestimmt haben und dunérhalb dreier Monate nach der Ein=
“tragung des Beschlusses sustroton, finden dle neuen Bostim=
mungen, Keine Anwendung, Æagogen, unterstehen sie den Statue
tarischen und Reset dm Austrittsbedingungen .
Eine entgegenstehende Versinebrung ist gegenüber
Dritten ohne Wirkung, es sei denn, d&ss!der Dritte mit
| dem -Eingetretenen eine besondere Vereinalbrung getroffen hal
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Eidesstattliche Erklärung
Rechtliche Ausgestaltung des Genossenschaftswesens in Liechtenstein
Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass die vorliegende Arbeit selbständig und ohne unerlaubte Hilfe
angefertigt wurde. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken wurden als
solche kenntlich gemacht. Diese Arbeit wurde bisher weder in gleicher noch in ähnlicher Form einer
anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht.
Vaduz, den 29. April 2016
lic.iur. Márten Geiger, LL.M. (Brügge)
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